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14 April 2017 | Sued Atlantik
Kerstin
Ja, ein kleines bisschen Melancholie segelt auf dieser Etappe mit. Ich versuche die Momente dieser langen Etappe irgendwie, irgendwo in meinem Inneren zu speichern. Mehr als sonst. Das hier ist Blauwassersegeln vom feinsten. Werden wir so etwas so in dieser Art noch einmal erleben? Diese totale Einsamkeit hier draussen. Lopto, Helmut und ich, der weite Himmel und der Atlantik. Fuer Tage, fuer Wochen nichts anderes. Unendliches Blau. Menschenleer, Schiffsleer. Und derzeit voller Wetterglueck. Wir haben die Segelstellung in den ersten sieben Tagen seit Abfahrt aus St. Helena nicht veraendert. Ab umd an ein Reff rein, ein Reff raus. Mehr bleibt derzeit nicht zu tun. Heute Nacht passieren wir Ascension Island, 30 Seemeilen an Steuerbord. Die Insel zeigt sich nicht. Kein Lichtschein am Horizont. Was auch am Vollmond liegen mag. Aber immerhin bilde ich mir ein, ich koennte die Insel riechen. Diesen Teil des Atlantiks haben wir uns gedanklich in kleinere "Haeppchen" unterteilt. 750 Seemeilen sind es noch bis zum Aquator, dann noch einmal um und bei 1000 bis auf die Hoehe der Kapverdischen Inseln. Die waeren sicherlich ein lohnendes Ziel gewesen, liegen aber leider viel zu weit oestlich, um sie von unserer Position aus segelnd erreichen zu koennen. Von den Kapverden aus sind es noch einmal circa 800 Seemeilen bis Hoehe Kanaren und dann noch einmal 700 bis auf die Azoren. Alles Luftlinie und trotzdem, solchermassen verpackt, erscheint uns die vor uns liegende Strecke irgendwie ueberschaubarer. Und gut 750 Seemeilen haben wir seit Abfaht St. HELENA immerhin schon im Kielwaser. LOP TO flitzt nur so ueber den Suedatlantik. Unter Vollzeug, mit ausgebaumter Genoa auf Steuerbord segelt sie uns nach Norden. "Nuetzt ja nuescht, wat mut, das mut" scheint sie zu sagen und spielt Schmitz Katze. Uns bleibt nur der regelmaessige Blick rund um und auf das AIS und Radar Display. Schoene, ruhige Tage hier draussen. Waehrend meiner Nachtwache denke ich darueber nach, wie vielen Menschen wir in den vergangenen Jahren begegnet sind, die fuer dieses Segeln fast alles andere in ihrem Leben aufgegeben haben. Wieviele Menschen haben wir getroffen, die ihr Haus, ihren Beruf, all ihr Hab und Gut getauscht haben fuer ein Segelboot und eine ungewisse Zukunft. Auch um Tage wie diese erleben zu duerfen. Nicht alle haben hier draussen das gefunden, was sie gesucht haben. Die meisten aber sind gluecklich geworden. Haben sich den Lebenstraum erfuellt und aus der Zeit, die ihnen geschenkt wurde, etwas besonderes gemacht. Natuerlich kann man all das auch an Land finden. Nicht jeder muss dafuer raus aufs Meer. Manch einer "muss" dafuer auf eine Hallig ziehen. Zu Fuss Groenland durchqueren. Oder Hunde zuechten. Aber kann einem etwas anderes im Leben mehr Zufiedenheit schenken, als irgendwann den eigenen Weg eingeschlagen zu sein? Es braucht Mut am Anfang, aus dem scheinbar vorgestanztem Dasein aus zu brechen und den eigenen Weg zu gehen.