Entwirrt zum letzten Schlag
14 June 2018 | Lorient
Stanzi
Wenn man mit völlig verwurschtelten Haaren morgens aufwacht nennt man das in Dänemark "morgenhår" (dt.: Morgenhaar). Ich bin mir nicht sicher, wie man es in Frankreich nennt, wenn Segelboote am Morgen mit völlig verwurschtelten Festmachern (Leinen zum Quai, Steg oder an eine Boje) "aufwachen". Cordages du matin? Ich würde es auf alle Fälle mit "mouillage de bouée à la manière française" beschreiben. (auf dem Foto ganz hinten an der Mauer, leider nur schlecht zu erkennen!) Für Deutsche ist es völlig irre, sich in einem Bojenfeld in einem französischen Fährhäfchen zu befinden: Es gibt da immer eine Reihe weniger Bojen in etwa 2 Bootslängen von der Quaimauer entfernt. Für Deutsche offensichtlich ermöglicht diese Reihe weniger Bojen eine sichere Vertäuung weniger Boote zwischen Quaimauer (Achtern) und Boje (Bug). Für Franzosen dagegen bieten diese Bojen eine sichere Vertäuung unzähliger Boote an den Bojen und an den daran bereits vertäuten Booten. Es wird vertäut wie blöd in alle Richtungen. Und da eine direkte Landverbindung (mit z.B. einem Steg) an solchen Bojen nicht vorhanden ist, lassen viele (auch Engländer) ihre jeweiligen Schlauchboote ins Wasser, um an die Quaimauer zu tuckern oder zu paddeln. Das Bild ist göttlich: Segelboot dicht an dicht und dazwischen herumschwappernde Dinghis. "Segelboot-Scooter"! So könnte man es nennen!
Grund meiner langen Erläuterungen ist die Gemütsbeschreibung meines Mannes, als er mit Morgenhaar inmitten des verkeilten Bootscooters, an Deck der Danina stand und stöhnte: "Hier kommen wir nie raus!" Ich entgegnete nur: "Ruf die Capitanerie an, die haben uns hierher kommandiert und zugesagt, dass wir "sans problème" am nächsten Tag wieder ablegen könnten." (wir ahnten schon am Abend vorher, wie sich die Parksituation bei dem ausgebuchten inneren Hafenbecken entwickeln würde) Prompt kam Michael's Lieblings Capitanerie-Lady später in ihrem Schlauchboot angesaust und schaffte es nach ewigem Rumbugsieren, Neuvertäuen und viel Haareraufen ihres hübschen Mittagshaares, unserer Danina eine Gasse freizumachen, die wir dann vorsichtig hindurch tuckerten und so freikamen. "Toujours les Anglais!" kommentierte noch unser französischer Bojennachbar die für ihn viel zu vielen englischen Segelboote im kleinen Hafen und damit Ursache für das Leinenentwirrspiel.
Wie setzten alsbald die Segeln und bretterten (schon wieder) mit bis zu 8,7kn (okay, wir hatten wieder ein bißchen Strom mit uns) Richtung Lorient. Der Wind kam aus W und brachte damit Atlantikwellen mit, die sich mit alter See verwurschtelten. Das hielt ich trotz freudigem Gebrettere nicht lange aus, und musste mich in den Salon zurückziehen, um der drohenden Seekrankheit entgegenzuentspannen. Nach etwa einer Stunde weckte mich Michael und meinte, er sei bereits im Fahrwasser vor Lorient, und würde mit Autopilot, Vollbesegelung und 7kn Geschwindigkeit doch allmählich nervös werden. Von seiner Segelkühnheit schnellst mit großen Mengen Adrenalin versorgt, sprang ich an Deck und übernahm das Steuer, während Michael versuchte, mit der Capitanerie des Stadthafens von Lorient zu kommunizieren. In der Raz de Lorient war ziemlicher Schiffsverkehr und wir bargen schnell die Segel, um dann an der Tankstelle voll zu tanken. Um etwa 16h machten wir im Stadthafen zunächst "im Päckchen" fest und aßen erstmal ein verspätetes Lunch. Später abends, verholt in den Stadthafenteil hinter der Schleuse und frisch geduscht, gingen wir noch einmal in ein sehr nettes Lokal (Le Belvedere) aus zum Dîner.