Am spaeten Nachmittag erreichen wir das Ozeanografische Museum von Rio Grande. Es liegt am Ende eines schmalen Fahrwassers und wir kommen hier erst an, nachdem wir uns einmal festgefahren haben.
Einmal eine Millisekunde nicht nach vorne geguckt, einen Meter neben die Fahrwassertonne gesteuert und zack. Stecken wir im Schlamm.
Ein Fischer hat ein Einsehen mit uns, faehrt nah und mit Schmackes an uns vorbei, seine Heckwelle reicht, um uns mit Vollgas aus dem Schlamm zu schieben.
Das Ozeanografische Museum in Rio Grande hat einen Steg, an dem durchreisende Blauwasseryachten willkommen sind. Herrlich.
Museumsdirektor Lauro begruesst uns. "Schlaft erst einmal aus, bleibt solange ihr moechtet, nehmt euch Wasser und Strom am Pier, setzt euch in den Garten. Und ein tolles Schiff habt ihr." Ein herzlicher Empfang, ueber den wir uns sehr freuen.
Noch dazu ist der Platz am Steg kostenfrei. Spenden sind willkommen, Liegeplatzgebuehr gibt es keine.
Anders beim Yachtclub um die Ecke. Als wir am naechsten Morgen den in unserem Cruisingguide als aussergewoehnlich freundlichen Yachtclub beschriebenen Club besuchen moechten, begruesst uns die Sekretaerin mit den etwas frostigen Worten "Guten Morgen, wenn Sie unsere Einrichtungen nutzen moechten muessen Sie bezahlen."
Wuerden wir natuerlich, wollten uns aber eigentlich nur einmal kurz umsehen. Das duerfen wir nach etwas hin und her.
Der Club ist so wie vieles in Brasilien. Irgendwann war es mal huebsch hier. Jetzt broeckelt die Fassade. Patina wohin man schaut. An den Stegen Segelyachten aller Arten. Manche gepflegt, manche vor langer Zeit vergessen. Den in unserem Cruisingguide beschriebenen 20 Tonnen Krahn finden wir nicht. Auf dem Trockengelaende steht ein deutlich kleinerer Krahn. Und ein paar Projekte. Sie stehen wohl schon laenger.
Der Garten des Clubs ist weitlaeufig. Und huebsch. Es gibt einen Pool, zwei Tennisplaetze. Jetzt unter der Woche herrscht gaehnende Leere.
Unser Fazit, die Steganlagen des Clubs (es gibt sogar einen Gastliegeplatz mit 3 Meter Tiefe) sind bei starkem Nordost sicherlich geschuetzter als der Steg des Ozeanografischen Museums, die im Guidebuch beschriebene Freundlichkeit aber finden wir an unserem Museums Steg.
Auf der Ueberfahrt haben wir eine kleine Undichtigkeit an unserem in Suedafrika neu angefertigten Wassersammler gefunden. Waehrend Helmut diesen ueberlaminiert, um die undichte Schweissnaht zu dichten, ziehe ich am Nachmittag Kamerabewaffnet in die Stadt.
Was soll ich sagen.....Brasilien bleibt fuer uns das Land der haesslichen Staedte.
Ich wandere stundenlang durch die Strassen von Rio Grande, denke da muss doch irgendwann nochmal was Schoenes kommen.
Kommt aber nicht.
Rio Grande ist eine Aneinandereihung von Bausuenden, Bauruinen, Bauluecken und einst wunderschoenen Gebaeuden, die einmal errichtet nie wieder einen Pinsel oder eine Putzkelle gesehen haben.
Stuckfassaden, Art Deco Gebaeude, dazwischen Gehwege die einst mit wunderschoenen Ornamentkacheln gepflastert waren. Von all dem sind nur noch Bruchteile erkennbar. Laengst stehen viele der alten Gebaeude leer. Fenster sind mit Holz verschalt, ganze Fassaden mit Balken abgestuetzt. Dazwischen ab und an wie ein gelandetes UFO, ein Neubau. Dem wohl das gleiche bevorsteht wie seinen aelteren Nachbarhaeusern. Gebaut um zu verfallen....
Liebhaber des Morbiden kommen in Rio Grande voll auf ihre Kosten. Museologen blutet das Herz.
Irgendwann finde ich in dritter Reihe zur Uferpromenade die Shoppingmeile der Stadt. Apotheken und Schuhlaeden bestimmen das Bild. Dazwischen ein paar Plastiklaeden. Billiger Troedel, den so wirklich niemand braucht.
Einzige Ausnahme ein Gaucho Laden. Hier kauft wohl der suedamerikanische Cowboy, denke ich. Es ist mein erster Kontakt mit der Gaucho Kultur im Sueden Brasiliens.
Im Laden sitzen drei aeltere Herren beim Plausch in trauter Runde zwischen Pferdesaetteln, Lederreitstiefeln und karrierten Wollflanellhemden.
Alles sehr gediegen und nach dem Palstikrausch der Einkaufsstrasse eine echte Erholung fuers Auge. Kaufen tue ich nichts. Pferd und Boot harmonieren nicht im Bedarf.
Ich laufe zurueck zum Boot. An der Wasserfront entlang. Vorbei an den Fischtrawlern, Tuckbooten und Faehren. Hier in Rio Grande beginnt, oder endet je nach dem wie man es sieht, die riesige
Patos Lagune, an deren entgegen gelegenem Ende Porto Allegre liegt, die Metropole der Region.
Wenn uns die kurze Segelsaison der hohen suedlichen Breiten nicht so im Nacken sitzen wuerde, wuerden wir gerne eins der vielen alten Flussschiffe nehmen und uns ein paar der kleineren Orte im Hinterland ansehen.
So aber bleibt es bei Rio Grande und einem eher fluechtigen Eindruck vom Sueden Brasiliens.
Irgendwann bin ich zurueck an Bord. Der Wassersammler ist wieder dicht. Die ersten Prognosen der US Wahl lassen uns (ver)zweifeln.
Wir machen eine Flasche Rotwein auf und gucken ueber den Fluss.
"Wir sind auf dem Weg ans Ende der Welt"sage ich, "vielleicht nicht der schlechteste Platz in Zeiten wie diesen."