Vier Wochen Europa.
Das Glueck an Frankreichs Kaesetheken, aber auch erste, ernste Gedanken ueber einen fast endlos scheinenden Konsum.
Die Einkaufsstrassen dominieren die Staedte, kaufen scheint fuer viele Menschen der Hauptzweck ihres Daseins. Wie fast ueberall auf der Welt.
Dabei gibt es gar nichts spannendes zu erwerben. Die Innenstaedte Frankreichs sind austauschbar. Viel billiges Plastik und Polyester. Ketten-Boutiquen. Wie fast ueberall auf der Welt.
Trotzdem, wir moegen Frankreich und fuehlen uns wohl. Was uns begeistert, sind vor allem die Maerkte mit Bergen an frischem Gemuese und Obst. Essen ist hier wichtig. Genuss und Qualitaet auch. Das ist schoen.
Unsere Gedanken machen wir uns trotzdem. Warum ist Konsumieren eigentlich so wichtig geworden?
Was waere, wenn wir statt staendigem Wachstum, oefter Kultivierung suchen wuerden? Mehr Maerkte, weniger billiges Plastik.
Oder statt alles immer sofort haben zu muessen, wieder eine Saison fuer dieses oder jenes akzeptieren wuerden?
Was waere wenn das Glueck vieler, wichtiger waere als der Konsum einzelner?
Oh je. Auch bei uns wirkt das Wetter. Es zwingt uns zu Zwangspausen. Wir sitzen bei Regen oft unter Deck und denken....und wir haben oft Regen dieser Tage.
Den Haefen, die wir anlaufen fehlt in der Normandie die Gemuetlichkeit der Bretagne. Aber das mag auch daran liegen, das wir uns zu wenig Zeit lassen.
Imposante Kreidekuesten ziehen vorbei, Staedte die sich vor dem Wetter hinter hohen Hafenmauern ducken.
Wir staunen noch immer uber den Tidenhub. Gucken mal gegen dick mit Muscheln bewachsene Kaimauern, mal darueber hinweg.
Dieppe, Boulogne sur Mer, Dunquerke...
Boulonge sur Mer zeichnet sich dadurch aus, das wir wieder in die Marina geschleppt werden.... der Wurm im Kuehlwassersystem. Da ist er wieder...
Und so kommt LOP TO fast am Ende ihrer Weltumsegelung doch noch zu einer ihr gewidmeten PanPan Meldung. Diese gibt die Coast Guard via Kanal 16 bekannt, nachdem wir sie anfunken und bitten uns aus dem Aussenhafen in den Innenhafen zu schleppen. Schon wieder ganz grosses Kino.
Die Meldung wird auf franzoesisch verlesen. Verstehen wir nicht, reimen es uns aber in etwa so zusammen "Panpan panpan panpan, Achtung hier segeln die Dussel in den Hafen, die vor ein paar Tagen schon in Cherbourg ohne Maschine ankamen..." .
Wenigstens haben wir heute keine 6 bis 7 Bft.
Ein Motormechaniker und zwei Stunden spaeter schnurt die Maschine wieder. Warum wir.... Schwamm drueber. Anfaengerfehler. Man muss nicht ueber alles reden.....;-)
Waehrend Dieppes Hafen durchaus auch bei arktischen Temperaturen und Niesel noch Charme versprueht, ist Boulogne sur Mer auch bei Sonne haesslich. Bei Nieselregen macht Boulogne depressiv.
Auf der einen Seite Industriebrache, auf der anderen 70iger Jahre Wohnbloecke, ueber allem der Fischgestank mehrerer Fischfabriken. Es riecht 24 Stunden am Tag nach Fish n'Chips. Wie halten das die Anwohner hier aus? Fuer mich bedeutet Boulogne sur Mer 24 Stunden am Tag Hunger. Morgen gibt es Fischstaebchen....
Was uns gut gefaellt, sind die Menschen, die wir treffen. Noch unterscheidet sich unser Alltag gar nicht so sehr, von der Fahrtensegelei am anderen Ende der Welt. Nur trifft man sich hier am Steg, nicht in der Ankerbucht.
Einige Crews kennen wir schon seit Cherbourg.
Ganz so bunt ist die Seglerszene nicht mehr, aber wir treffen eine ukrainische Familie, Lowlowbudgetsegler auf dem Weg um die Welt. Wir lernen die Einhandseglerin
Susanne kennen, die einen witzigen Blog ueber ihre Reisen fuehrt. Wir treffen
Rainer aus Hamburg und seine Crew , die sich im schlechten Wetter nach Westen kaempfen und uns spontan in Dieppe zum Cola Rum in ihr Cockpit einladen. "Mensch", sagt einer von ihnen mit langem Blick zum
Horizont Hafenmauer, "lerne ich mal echte Weltumsegler kennen". Kann gut sein, das er sich auch mal auf dem Weg macht. Wir haben unser bestes dazu getan und die ein oder andere Seebaerengeschichte zum besten gegeben.
In Boulogne lernen wir die Crew der deutschen "Papillion' kennen. Sitzen einen langen Abend bei den dreien im Salon und am naechsten Abend einen Hafen weiter beim Bier im Cockpit.
Schoen ist das. Hatten wir doch im Vorfeld ab und an Zweifel, ob es so einfach und unkompliziert bleibt, neue Menschen kennen zu lernen und Freundschaften zu schliessen.
Wir sind verwoehnt, Blauwassersegeln macht dies einfach. Und wir sind Norddeutsche. In Norddeutschland kann man schon mal jahrelang nebeneinander in der Box liegen ohne den Namen der Nachbarn zu kennen....
LOP TO macht es uns hierbei natuerlich auch einfach. Sie sieht anders aus, als ihre reinweissen Plastikkollegen. Der sprichwoertliche bunte Hund.
Leider inzwischen auch unter Wasser.
Mit erreichen Frankreichs scheint unser Antifouling der Meinung zu sein, es haette das seinige zur Reise beigetragen. Es hat sich der franzoesischen Streikkultur angeschlossen und umgehend die Arbeit eingestellt. Wer will es ihm verdenken, das letztemal an Land stand LOP TO in Kapstadt.
Nun muss es bis Kappeln mit langem, gruenen Bart gehen. Zum tauchen kann sich keiner von uns beiden durchringen. Nicht in diesem Hafenwasser, nicht bei diesen Temperaturen.
Landschaftlich haben wir ab Dieppe zunaechst erst einmal das schoenste hinter uns. Bis Holland heisst es die Zaehne zusammen zu beissen. Platte Kueste, viel Industrie.
Kurz vor Dunkerque dann eine wirklich vergewaltigte Natur. Stahlfabriken, qualmende Schlote, Trotzdem stehen entlang des aspahltierten Ufers die Angler in Scharen. Kann man moegen, muss man aber nicht.
Eine Nacht Dunkerque, historischer Boden, auf dem man als Deutscher auch heute noch den Kopf einziehen moechte. Was sich hier am Ende des zweiten Weltkrieges abgespielt haben mag, ist unvorstellbar.
Wenn man die heutige Stadt Dunkerque betrachtet, bekommt man noch immer eine Ahnung davon. Die Innenstadt ist ebenso gesichtslos wie Kiel. Auch hier stand 1945 wohl kaum noch ein Stein auf dem anderen. Dementsprechend saeumen nun fuenfziger Jahre Blockbauten die Strassen.
Schoen geht anders.
Wir bleiben nur eine Nacht. Sonntagmorgens beschliessen wir, zusammen mit Theresa, Angelika und Ludger von der 'Papillion' Fruehstuecken zu gehen.
Frankreich, das Land der Geniesser.
Nicht am Sonntagmorgen, nicht in Dunkerque. Die Cafes sind geschlossen. Alle.
Wir fruehstuecken gemeinsam im Cockpit der Papillion und laufen mittags aus. Bei kraeftigem Wind von achtern in Richtung Ost.
Ziel Zeebruegge.
Landschaftlich kann es nur noch schoener werden. Dafuer waee ein bisschen weniger Wind willkommen.
Aber wir wollen nicht zu laut meckern. Wenigstens regnet es heute nicht. Fuer den Sommer 2017 ein guter Tag....