Flensburg, kurz vor Weihnachten 2017....
Die ersten drei Monate an Land liegen hinter uns. Das wir so lange nicht gebloggt haben, war nicht geplant.
Uns fehlte schlicht die Zeit.
Nach unserer Ankunft Mitte September beginnen wir quasi uebegangslos unser kleines Haus in Flensburg zu renovieren. Fuer ein paar Wochen tingeln wir zwischen Boot und Haus hin und her.
Wir verbringen viel Zeit auf der Strasse.
Dann verbringen wir einen langen Tag bei IKEA. Einen sehr langen Tag....Moebel haben wir keine mehr, auch kein Geschirr. Wir surfen durch Ebay, sammeln uns einen neuen Hausstand zusammen. Und sind immer wieder aufs neue ueberrascht darueber, was Menschen hier als gebraucht verkaufen. Dinge, die oft nicht einmal aus der Verpackung genommen wurden. Oder nur wenige male benutzt wurden. Wertlos fuer den einen, machen sie uns das Einrichten im Landleben einfacher. Mitte Oktober mieten wir einen kleinen Transporter und ziehen ins neue Zuhause in Flensburg.
Aus Seebaeren werden ueber Nacht teilzeit Landratten.
Fertig renoviert und eingerichtet beginnen wir Familie und Freunde zu besuchen, raeumen LOP TO aus, um sie vor dem Winter von allem unnoetigen Ballast zu befreien.
Haben wir Bedenken, ob wir mit diesem Wandel zurecht kommen werden? Natuerlich.
Aber wir merken schnell, das der Zufall der uns nach Flensburg gefuehrt hat, ein Gluecksgriff fuer uns gewesen ist.
Wir fuehlen uns angekommen. Eine Stadt, die wir beide bisher nur von einem kurzen gemeinsamen Besuch kannten, entwickelt sich in den kommenden Wochen zum neuen Heimathafen fuer die Crew der LOP TO. Zu einem Ort an dem wir beide uns sehr wohl fuehlen.
Und wir stellen fest, das wir das haben, was im Leben ungemein wichtig ist. Gute Freunde.
Wir sind sehr dankbar, als wir feststellen das auch jahrelanges Reisen diesen Freundschaften nichts anhaben konnte. Statt Langerweile jonglieren wir mit Terminen. Freuen uns ueber Besuche und Einladungen.
Was wir voellig unterschaetzt haben, ist ein gewisses Medien Interesse an uns und unserer Reise. Das ZDF laedt uns ein ins Mittagsmagazin. Wir fliegen nach Mainz, wir sind im NDR zu sehen und haben einige Fototermine auf der LOP TO. Ein paar Regionalzeitungen, ein Segelmagazin schreiben ueber uns und unsere Reise. Und noch sind nicht alle Artikel veroeffentlicht.
Fuer das kommende Jahr planen wir einige Bilder Vortraege. Die Termine werden wir auf dem Blog rechtzeitig bekannt geben.
Es ist ein merkwuerdiges Gefuehl. Das die Reise und das Leben als Seenomaden viele interessiert und fuer den ein oder anderen einen (noch) nicht ausgelebten Traum darstellt, wussten wir natuerlich. Aber jetzt unser Leben in einer Zeitung zu sehen, ist dennoch seltsam.
Einem selber erscheint der Alltag, mag er anderen auch noch so exotisch vorkommen, doch eigentlich ziemlich normal.
Und natuerlich kann man in fuenfminuetigen Interviews auch nicht viel mehr als ein kleines bisschen Feiheit und Exotik vermitteln. Wir hoffen auf die Bild Vortraege. Dort bleibt dann hoffentlich die Zeit, Menschen die sich fuer uns und unsere Reise interessieren wirklich ein klein wenig hinter die Kulissen schauen zu lassen. Sie mit zu nehmen an Orte, die nicht mit dem Flugzeug erreichbar sind und ein wenig mehr zu erzaehlen darueber, wie das taegliche Blauwaserleben wirklich aussieht. Und vielleicht gelingt es uns dann auch, dem ein oder anderen unsere Ueberzeugung zu vermitteln, das wenn wir das koennen, es auch fuer die meisten anderen moeglich ist, ihren Traums vom ungewoehnlichen Leben Wirklichkeit werden zu lassen. Das wuenschen wir uns sehr.
Natuerlich holt uns auch ein, was in allen Medien heute gang und gebe zu sein scheint. Die Menschen, die durch dumme Kommentare Stimmung machen im Land. Zum erstenmal werden wir in dieser Form mit Neid konfrontiert. "Ja jetzt fangen die Wehwehchen an, da kommen sie nach Hause in den Sozialstaat" oder "Mit genug Geld kann jeder um die Welt segeln, wo ist die Leistung??" lesen wir.
Die, die da urteilen, kennen uns nicht. Sie fragen auch nichts.
Wir nehmen es gelassen. Aber es ueberrascht uns zugegeben doch ein bisschen. Und wir koennen die Schreiber beruhigen. Bisher haben wir alles in unserem Leben selbst bezahlt und werden das auch in Zukunft tun. Keine Sorge.
Auch ist es uns nicht wichtig, ob andere unsere Reise als Leistung sehen wollen oder nicht. Wir haben uns diese Frage selbst nie gestellt. Fuer uns ist es unser Leben. Das wir eben so leben, wie wir es leben wollen und das machen wir auch in Zukunft so.
Eine Leistung allerdings haben wir wohl wirklich vollbracht. Wir haben den Mut gehabt los zu segeln. Den Mut unser Leben so zu leben, wie wir es fuer richtig halten. Und wir haben dafuer die ausgetretenen Pfade verlassen und auf die ein oder andere Sicherheit verzichtet. Die ein oder andere Unbequemlichkeit und Unsicherheit in Kauf genommen. Wenn man das als Leistung sehen will, dann ist es vielleicht wirklich eine. Wenn man dann erst einmal unterwegs ist, stellt man fest, dass das ueberqueren eines Ozeans einfacher ist, als man sich das gemeinhin vorstellt ;-) ....
Worueber wir laenger nachdenken ist, das uns waehrend unserer Reise eigentlich nirgendwo Neid, sondern vor allem anderen Interesse und Gastfreundschaft entgegen gebracht wurden. Wir haben in den vergangenen Jahren viele Menschen kennen gelernt, die sich voellig zu recht haetten fragen koennen, warum die einen so viel und die anderen so wenig auf unserer Welt haben.
Haben sie aber nicht. Zumindest nicht in unserer Gegenwart. Statt dessen haben sie uns zum Essen eingeladen.
Das Neid nun hier und das meist aus Ecken kommt, die wir fuer ziemlich gut versorgt erachten, das macht uns wirklich nachdenklich.
Und LOP TO? Wie geht es ihr? Auch sie hat inzwischen festen Boden unter dem Kiel. Nackt sieht sie aus, als sie ohne Segel Anfang November im Kran haengt und an Land gehoben wird. Man sieht ihr die 18 Jahre auf Reisen nicht wirklich an. Ein Umstand auf den wir ein kleines bisschen Stolz sind.
Sie hat uns sicher um die Welt gebracht. Nie hatten wir wirkliche Bedenken. Nur wenige Sorgen. LOP TO war das beste Zuhause, das wir uns fuer eine Reise wie unsere haetten Wuenschen koennen.
Nun steht sie dort ein bisschen verloren auf dem Lagerplatz zwischen viel Serienplastik. Ein bisschen wie ein gelandetet UFO. Sie bekommt erst einmal eine neue Winterplane. Per Zufall finden wir die
Firma Immler in Flensburg. Und sagen Danke, fuer ein massgeschneidertes Stueck Haute Couture, das besser nicht passen koennte. Wer nach einer Persenning sucht oder nach einem Sonnensegel, bei Immler wird er fuendig. Koennen wir nur empfehlen! Und bevor wieder jemand meckert, wir haben selbst bezahlt :-)....den Original Preis.
Wir schleppen Kistenweise Ausruestung vom Schiff. Waschen 35 Maschinen Waesche. Segelkleidung, Polsterbezuege, Handtuecher, Persenninge.... Wir raeumen Tomatendosen, Nudelpakete und Marmeladen Glaeser aus, die uns noch gut ueber den Winter bringen werden.
Ein paar der Schaetze die wir heben, landen im Muell. Dinge, die vor kurzem noch einen unersaetzlichen Wert darstellten, sind ploetzlich an jeder Ecke zu haben. Auch das ein eindrueckliches Erlebnis der ersten Wochen an Land.
Wir sind zurueck im Land der Fuelle. Gibt es nicht, gibt es ploetzlich fuer uns nicht mehr.
Und wir beginnen zu hoffen, das wir uns den vorsichtigen Umgang mit Guetern und Ressourcen, den das Leben an Bord uns in den vergangenen Jahren gelehrt hat, in dieser unentwegten Fuelle erhalten werden.
Auch nach fast drei Monaten Deutschland staunen wir noch oft ueber das Warensortiment im Supermarkt. Und ueber die Preise.
Auch ueber diese wird hier zu Lande gerne geklagt. Nun ja....jeder der in der letzten Zeit einen neuseelaendischen, argentinischen oder auch einen portugisischen Supermarkt besucht hat, wird uns zustimmen. So guenstig wie in deutschen Diskountern kauft es sich weltweit nirgends.
Ja, wir geniessen in dendenden rsten Wochen den ungenierten Griff ins Regal. Wir geniessen Bio Gemuese und Bio Duschgel zu erschwinglichen Preisen. Das hatten wir lange nicht mehr.
Wenn wir gerade nicht einkaufen gehen, werkeln wir an Schiff, Haus und Garten. Wir besuchen Konzerte und VHS Kurse, machen Yoga, beginnen Daenisch zu lernen.
Und besuchen Weihnachtsmaerkte. Staunen ueber den ersten Schnee im eigenen Garten.
Exotisch, zumindest fuer uns.
Drei Monate an Land. Weit entfernt von Langerweile. Und so wie sich die kommenden Monate in der Planung gestalten, wird sich diese bis zum Beginn der Segelsaison im naechsten Fruehjahr auch nicht mehr einstellen.
Dann wollen wir wieder los. In der Saison 2018 fuer ein paar Monate auf die Ostsee.
Gucken was sich alles veraendert hat, in den letzten Jahren.
Und mit einem neuen Crewmitglied, das wir vostellen, wenn es soweit ist....
Ob wir weiter bloggen? Vielleicht noch den ein oder anderen Post ueber das neue Leben nach der Reise.
Weil es so viele interessiert, wie das ist, wenn man nach so langer Zeit des Nomadendaseins nun wieder teilzeit-sesshaft ist.
Aber wir werden nicht mehr so viel schreiben. Und wohl auch nicht regelmaessig. Da sind jetzt andere drann.
Darum wuenschen wir auch schon heute allen die hier lesen frohe, gesunde, friedliche und vor allem zufriedene Weihnachtstage. Lasst euch nicht anstecken von der Hektik der Innenstaedte und Shoppingzentren. Geniesst Zeit mit Familie und Freunden.
Wir moechten uns an dieser Stelle auch bedanken fuer die treuen LeserInnen der letzten Jahre, fuer unterstuetzende Kommentare und Emails, fuer euer Interesse und fuer eure Anteilname, wenn es mal nicht so rund lief.
Allen die traeumen vom Leben an Bord, koennen wir nur versichern, dass wenn wir das geschafft haben, ihr das auch koennt. Das Schwierigste ist tatsaechlich das losfahren. Aber es lohnt sich.
Da draussen wartet eine Welt die viel schoener, viel freier und vor allem viel freundlicher ist, als einem die Medien hier gerne erzaehlen wollen.
Wir Menschen haben eigentlich ueberall die gleichen Hoffnungen, Traeume und Wuensche, aehnliche Sorgen und Noete. Es lohnt sich nicht nur, Landschaften zu entdecken.
Die Menschen denen wir begegnet sind, sind der wahre Schatz den wir von unserer Reise mitgebracht haben. Freundschaften die Rund um die Welt entstanden sind und auch viele kurze Begegnungen, die uns die Erkenntnis geschenkt haben, das uns alle auf der Welt viel mehr eint, als trennt.
Das gibt uns Hoffnung in oft stuermischen weltpolitischen Zeiten. Und die Hoffnung, das sich dieses stuermische Wetter schneller wieder beruhigt, als viele das fuer moeglich halten. Naiv? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.
Und noch einen Schatz haben wir auf unserer Reise gefunden. Wir haben gelernt wieder auf uns selbst zu vertrauen.
In einem Alltag, in dem sich fast alles versichern laesst, in dem viel zu oft andere ueber die eigne Zeit bestimmen wollen. In einer Zeit in der man im Gegenzug dazu aber auch nur allzu leicht andere fuer das eigene Leben verantwortlich macht, tut es gut, wieder fuer sich selbst Verantwortung zu uebernehmen.
Und zu sehen wie weit man kommt, wenn man losgeht!
Frohe Weihnachten und einen tollen Start ins Jahr 2018 wuenschen Euch Helmut und Kerstin