Dorothea und Joe
21 October 2019 | Las Palmas
Alfred+Petra Punke+Pavlisin | Windy and Sunny
Unsere Freunde und Besucher Dorothea und Joe sind D I E Transatlantiksegler. Insgesamt waren damit sieben Transatlantics an Bord. Das wollten wir ausnutzen, um noch einmal die Besegelungstaktik für Milena Bonatti auszuchecken. Denn Schließlich ist die ARC eine Rally, und wir wollen ja gewinnen. Allerdings kamen die beiden ja aus dem stressigen Berufsleben zu uns und wollten auch ein wenig entspannen und Spaß haben. Also ließen wir es am ersten Tag langsam angehen, verproviantierten uns und komplettierten die Ausrüstung, wie Ersatzleinen für den Hydrogenerator, weil sie immer durchscheuern und Gummiband-Rückholeleinen für die Holepunkte, weil sie schon durchgescheuert waren. Beim Proviant konnten wir schon mal den Bring-Service der örtlichen Supermarktkette testen, den wir sicherlich auch vor dem Atlantiktörn in Anspruch nehmen werden. Sie bringen tatsächlich in kürzester Zeit alles, was man vorher ausgesucht hat direkt ans Schiff. Nicht so gut fanden wir, dass alles in Plastiktüten verpackt war, die wir dann aber gleich gut zu Landschuh-Aufbewahrungstüten umfunktionieren konnten. Denn wegen der Cucarachas (schöneres Wort für Kakerlaken) haben wir uns eine strenge Trennung von Land- und Bootsschuhen angeordnet.
Wie nun die zur Verfügung stehenden fünf Tage zum Segeln nutzen? Der Wind sollte klassisch als NNE-Passat wehen, allerdings mit einer Verschnaufpause am 3. Tag. So erschien uns eine nahezu glatte Ost-West-Überfahrt und zurück nach Santa Cruz de Tenerife mit ca. 50 Seemeilen als sehr geeignet für zwei schöne Segeltage. Die restlichen Tage könnten wir ja als Trainingstage für unsere Spezialsegel nutzen, und/oder uns die attraktive Insel Teneriffa mit Ihrer imposanten Bergregion um den Teide anschauen. Guter Plan, gesagt, getan, die Hinfahrt bescherte uns dann auch einen wunderschönen Segeltag mit moderaten Winden und schönstem T-Shirt-Wetter. Nur der Schwell erzeugte eine leichte Plümeranz bei dem einen oder anderen. Das konnte aber die gute Laune nicht vertreiben. Unser Ziel war eigentlich die etwas außerhalb nördlich gelegene Marina Tenerife. Per Handy erfuhren wir aber, dass sie uns keinen Platz mehr bieten konnten, die im Zentrum gelegene Marina Santa Cruz hieß uns dagegen herzlich willkommen, wenngleich wir auch nur einen superkurzen Finger zugewiesen bekamen. Trotz Petras Anlegemanöverkünsten waren wir so froh, zu viert an Bord zu sein. Die Stadtmarina hatte auch Vorteile: einmal wurden wir am großen spanischen Feiertag (Entdeckung Amerikas – das passt ja, wollen wir ja auch) von Oscar Martinez (wohl so ein spanischer Robin Schulz DJ) kostenlos dermaßen beschallt, dass es als Motivation allemal ausreichte um so richtig mitfeiern zu wollen. Beeindruckend, wie viel junge Leute auf Teneriffa so zusammenkommen können.
Und dann war da noch der Autoverleih gleich um die Ecke. Und das brauchten wir ja, um an dem Flautentag das berühmte Landesinnere zu erkunden.
Der Nachteil war, dass es abends immer spät wurde, und – als Konsequenz, morgens auch spät. Das führte dann am nächsten Tag zu unserem ersten Test mit Start um 16:30 Uhr. Zuerst war der Gennaker dran, da der Wind von achtern kam und wir so das Vorsegel nicht runterholen konnten, was für den Passatsegeltest notwendig gewesen wäre, für den Gennaker nicht. Da es um ca. 19:30 dunkel wurde, musste der Gennaker möglichst direkt hinter der Hafeneinfahrt hoch. Wir mussten aber noch die Schoten verlegen, den Segelhals mit dem neuen Furlersystem am Bugspriet anbringen, das Fall anschlagen und dann - eigentlich hoch das Ding. Inzwischen gab es aber zwei neue Challenges. Der Wind fegte inzwischen verstärkt um die Nordspitze der Insel, allen war klar, das musste der berüchtigte Kapeffekt sein. Und die Fährlinien mit den Katamaranen zischten um uns rum, angsteinflößend auch deshalb, weil der Bug als Haimaul gestaltet war, der uns fressen wollte. Heldenhaft entschied sich die Crew trotzdem, es zu probieren, und Alfred war begeistert, als das 130 m²-Tuch sich aufblähte. Alfred sah die Bootsgeschwindigkeit auf sagenhafte 10, ja 11 und in Böen sogar 14 Knoten ansteigen. Alle anderen freuten sich über Alfreds Begeisterung und ließen ihn in dem Glauben, dass die Anzeige im unteren rechten Feld wie üblich die Bootsgeschwindigkeit SOG sei (Speed over Ground). Es war aber die AWS (Apparent Wind Speed = scheinbare Windgeschwindigkeit), Alfred hatte die Anzeige selbst kurz vorher umgestellt, dies aber offensichtlich nicht mehr auf dem Schirm. Es wurde ihm dann ob des Wahnsinnsspeeds (üblicherweise erreicht man schon mal 9 Knoten, vielleicht sogar 10 unter Gennaker) ein wenig unheimlich, und bevor Joe ihn aufklären konnte, bat er um Einholen des Riesensegels. Was angesichts der inzwischen fortgeschrittenen Stunde auch gerade reichte, um mit dem letzten Tageslicht an unserem kurzen Lieblingsfinger festzumachen. An dem Abend gab Joe dann ein Konzert, er brachte uns auch die ostdeutsche Popszene näher, und wir sangen alle lauthals mit. Toll Joe, vielen Dank! So wurde es eine Herausforderung, am nächsten Tag das Ablegen zeitlich deutlich nach vorne zu bekommen. Wir hatten es aber richtig doll vor, allerdings ohne das exakte Wissen um die notwendigen Vorbereitungsarbeiten für den Passatsegeltest. Vorsegel runter, das dauert auch deshalb schon, weil da vier Segellatten drin sind, mit schön vielen Knoten. Dann die beiden Passatsegel hoch, und mal kurz überlegen, wie denn das alles noch angeordnet war mit zwei Spibäumen, und damit zwei Toppnanten (Leinen, die die Bäume nach oben abspannen) und zwei Niederholern (klar, oder?), zwei Schoten gab’s auch noch, und dann die Frage, was macht man mit den Dingern, wenn man am Wind fahren muss? Die Diskussionen und Vorbereitungen zogen sich dann etwas hin, und auch dank unseren grandiosen Gitarren-und Gesangsfestivals am Abend vorher legten wir dann so gegen 16:00 Uhr ab, als fast eine Viertelstunde früher. Geht doch.
Unter Motor suchten wir dann die richtige Umgebung, um die Passatsegel zu setzen. Zuviel Wind, zu wenig Wind, zu viele Fähren, das waren die Bedingungen. Jeder durfte mal sagen, welche er am besten bzw. am wenigsten schlecht fand. Gut war dann auch, als Alfred, auf dem Bugkorb stehend, die Schoten umbinden musste von “beide Segel zusammen“ auf “jedes Segel einzeln“ eingebunden, bei durchaus beachtlicher Welle. Da muss noch eine bessere Lösung gefunden werden. Schließlich wehten die beiden Vorsegel jedes zu seiner Seite wunderbar aus. Dorothea probierte noch aus, ob Soenke Rövers Angabe, dass die Segel ohne große Trimmänderung je 40° Kursänderung nach Back- und Steuerbord vertragen (stimmt so ungefähr) und dann ging’s auch schon wieder Richtung Hafen.
Mit der Musik von Oscar Martinez holten wir die Passatsegel noch ein, das ging dank der Bässe sehr leicht, die die Falten mittels der Vibrationen richtig legten und automatisch in die Segelsäcke pusteten.
Als Fazit sei gesagt, dass sich unsere ursprüngliche Ansicht bestätigte: Passatsegel sollten im Passat eine gute Sache sein, der Gennaker ist eher was für ganz ehrgeizige Stunden. Werden wir wohl eher weniger einsetzen auf der Transatlantik-Tour. Und die Passatsegel müssen wir noch auf allen Kursen zum Wind besser kennenlernen, das bleibt noch eine Aufgabe in den kommenden Wochen. Und vielen Dank Dorothea und Joe, dass ihr mit uns diese Manöver gefahren seid und uns so tatkräftig unterstützt habt. Jetzt fällt die Nutzung dieser Segel zu zweit schon mal wesentlich leichter.
Am nächsten Tag erkundeten wir dann Teneriffa mit dem Mietwagen, und versuchten, nicht zu viel in den Ausflug hineinzupacken: Spaziergänge in den Canadas am Teide und eine Loorbeerwald-Spaziergang im Anaga-Gebirge sowie ein Bad am Strand von Roque de las Bodegas und zum Abschluss ein Fischrestaurant in St- Andres waren aber dabei. Und viele tolle Aussichten an den unzähligen Miradors der Insel. Schön.
Die Segelei zurück von Santa Cruz nach Las Palmas, wieder ein Traum. Der Teide war fast die ganze Zeit zu sehen, Joe fing an, die Hydrovane-Windsteueranlage zu duzen, und jeder schlief zwischendurch mal sein Martinez-Trauma aus.
Gekrönt wurde das Segeln mit den beiden Könnern dann durch eine tolle Unterstützung beim Anlegen in Las Palmas, mit dem Heck zum Steg und zwei Mooringleinen. Wie schafft man es, das Boot schnell und sauber gerade und mit dem richtigen Abstand am Steg auszurichten? Joe und Dorothea fragen.
So eine schöne Zeit. Vielen Dank Dorothea und Joe. Kommt wieder.