Guajara is closed
30 October 2019 | Teneriffa
Alfred | Sunny and Hot
Es gibt solche Sprüche, die das Potenzial haben zum „Runnng Gag“ zu werden. Sie begleiten einen dann für den Rest des Lebens. Einen haben wir gesammelt in Arrecife/Lanzarote. Neben uns lag ein Segelboot, das sah gar nicht mehr gut aus. Hauptschuldiger war der Calima-Wind, der braunen Sand aus der Sahara zu den kanarischen Inseln trägt, und nach Arrecife, einem der afrikanischen Küste am nächsten zugewandten Hafen wohl besonders. Jedenfalls sah das ehemals schöne weiße Segelboot der Sahara nicht unähnlich, brauner Sand überall. Eines Nachmittags kam ein gestandener Mann mit Rollkoffer zu dem Boot, seine Schritte waren nicht so ganz sicher, er winkte einem Segler auf einem schwedischen Boot gegenüber zu: I will be around for a beer soon“, stellte seinen Rollkoffer auf das Sahara-Boot, schaute zu uns herüber und sagt:“ Oh, how dirty“. Dann ging er zum Nachbarboot und ward für den Rest des Tages nicht mehr gesehen. Wie wir später erfuhren, war es ein Schwede, der sein Boot für ein halbes Jahr in Arrecife liegen gelassen hatte. Da geht schon mal der eine oder andere Calima über Lanzarote hinweg.
Guajara is closed ist auch so einer. Inzwischen sind wir nämlich wieder in Tenerife, wieder in der Santa Cruz Marina, wie schon mit Dorothea und Joe. Und das hat mehrere Gründe. Bei der Auswahl der Tourenziele auf den Kanaren sind die westlichsten Inseln La Gomera und La Palma sicherlich sehr attraktiv. Sie anzusteuern bedeutet aber, dass wir von Gran Canaria aus mehrtägige Törns machen müssten, im Falle von La Palma wohl auch mit Nachtfahrt. Und – wir müssen irgendwann zurück sein. Eigentlich nicht irgendwann, sondern zur Vorbereitung für die ARC konkret am 11.11. Da Petra auch noch einmal für eine Familienfeier nach Deutschland reist, rückt der Termin sogar auf den 5.11. vor. Und mit ein wenig Wetterpech kann das dann knapp und auch anstrengend werden. Und anstrengend wird ja schon die Atlantiküberquerung. Auch Kolumbus hat sich vor seinen Reisen über den Atlantik immer längere Zeit zur Erholung auf den Kanaren aufgehalten, warum nicht von ihm lernen?
Hinzu kommt, dass ich ja Bergsteiger war (bin?). Und auf der ersten Reise zu den Kanaren mit Dorothea und Joe hat mich bei der Mietwagen-Rundreise ein Berg besonders „angemacht“: der Guajara, 2718 m, der dritthöchste Berg Teneriffas und der Kanaren insgesamt (nach dem Teide und dem ihm vorgelagerten Pico Viejo). Statt anstrengende Segelreisen zu unternehmen, warum nicht ein wenig wandern und Berge besteigen? Und so kommen wir zum zweiten Spruch mit Running Gag-Potenzial. Als wir nämlich am Ausgangspunkt der Wanderung, dem Hotel Parador de las Canadas del Teide an einer kleinen Hütte vorbeikamen, bei der man Informationen zu den Wanderungen einholen kann, fragte ich die Frau dort: „Guajara today is o.k.?“
Und jetzt kommt die entscheidende Antwort:“ Guajara is closed!“
Der Berg ist geschlossen, wie die Kneipe oder das Schwimmbad? In meiner langjährigen Bergsteiger-Laufbahn ist mir das jedenfalls noch nie untergekommen. Es entspann sich folgender weiterer Dialog: Alfred: “What do you mean, Guadschara is closed?”
“It is closed today from 9 to 2!”
”Oh, really?“
„Yes, and it is not Guadschara, but Guachara! And you should know this already, there are signs everywhere, on Mondays, Wednesdays and Fridays the area is not open to the public, we have to preserve nature that days.”
O.k., das war deutlich, und langsam dämmerte es mir, hatten Dorothea und Joe nicht auf einem Schild etwas in der Richtung vorgelesen? Dass an den Tagen Mufflons gehütet werden, und „firearms“ verwendet werden? Jedenfalls kann man ab 14:00 Uhr wieder in dem Gebiet wandern, und bis dahin sollten wir doch auf Sendero 18 ausweichen, der sei 6 km weiter die Straße runter, mit dem Auto leicht zu erreichen. Ich vermute mal, die Frau in der Information hatte von mir denselben Eindruck bekommen, den wir Deutschen (oder Europäer) manchmal haben, wenn man US-amerikanischen Touristen begegnet (Hadelbörg is really nice and yes Newschwanstin, awesame. You have refrigerators here already? I did not know that usw.).. The ugly American eben mit seinem "We are the Geatest”. (Nur zur Sicherheit: ich liebe die USA - trotz Trump, habe 20 Jahre für eine amerikanische Firma gearbeitet und unser Fernziel ist N.Y. City, um meine ehemaligen amerikanischen Kollegen und Freunde dort zu besuchen. Und by the way: Petra ist US-Amerikanerin.
Wir wanderten dann ein paar Stunden auf dem Sendero 18, der sehr eben durch die wilde Las Canadas-Landschaft rund um den Teide führte, und um 14:00 Uhr waren wir wieder zurück und starteten unsere Tour auf den Guajara. Das war für diese ca. fünfstündige Wanderung natürlich ein wenig spät, aber für eine erste Erkundigung noch o.k. Und dann blies ein Wind durch die Schluchten, der in Böen ein Vorwärtskommen verhinderte. Mehr als 30 Knoten allemal, schätze ich. Wir brachen ab und schworen, wiederzukommen.
Was wir drei Tage später auch umsetzten, Leihwagen und Benzin sind sagenhaft günstig auf den Kanaren, mit 38,70 € für einen niegelnagelneuen Opel Astra mit allem Schickimicki pro Tag plus 10 Liter Benzin für unter 10 € (!!!) ist so ein Unternehmen noch ganz gut tragbar. Wir fragten wieder die Dame im Auskunftsbüro (es war eine Andere) und sie gab uns freie Bahn für den Guajara incl. der Überschreitung, die durch eine etwas steinschlaggefährdete Schlucht führen soll. Steinschlag aber nur abhängig vom Wetter, und das war dieses Mal erste Sahne. Unten an der Küste fast schon zu heiß, den Tag davor hatten wir 30°C im Boot, und Schwitzen im Sitzen war angesagt. So waren wir froh, bei kühlen 14° und blauem Himmel mit phantastischem Blick auf den Teide aufzusteigen. Mit uns so manche sehr sportlich orientierte Bergwanderer, eher joggend als wandernd, das erinnerte mich an meine besten Zeiten. An dem Tag war ich froh, die 700 m Aufstieg mit einigen Pausen noch genießen zu können. Eine wunderschöne Tour mit einem phantastischen Blick auf den Teide die gesamten Canadas und die Westküste Teneriffas. Die Inseln La Gomera und Gran Canaria ahnten wir im Dunst.
Jetzt segeln wir schon wieder zurück nach Las Palmas, der Nordostwind ist zurück. Wir haben mal die Passatsegel eingezogen, um ein wenig mehr Erfahrung mit ihnen zu bekommen, wenn der Wind nicht von achtern kommt. Denn ein Wechsel mitten auf dem Atlantik bei zwei Meter Dünung von Genua auf Passatsegel oder andersherum wollen bzw können wir uns nur schwer vorstellen, also müssen die Passatsegel irgendwie bei allen Kursen zum Wind funktionieren. Im Moment fahren wir gerade hoch am Wind mit den Passatsegeln übereinander und im 2. Reff. Dann sind sie in etwa so groß wie die Genua, es sieht etwas putzig aus, da das Unterliek einen bis eineinhalb Meter über dem Deck verläuft. Aber die Geschwindigkeit bei 10 Knoten Wind und 40° am wahren Wind ist mit 5,5 bis 6 Knoten noch so gerade akzeptabel, immerhin haben wir auch eine kleine Welle. (die theoretische beste Bootsgeschwindigkeit gibt X-Yachts für unser Boot mit 6,4 Knoten unter diesen Bedingungen ohne Welle an, die schaffe ich aber mit der Genua auch nicht so leicht).
Nach zwei Tagen hintereinander mit Wecker um 6 Uhr freuen wir uns jetzt auf ein paar Tage Ausschlafen. Ich hatte am zweiten Tag beim Weckerklingeln schon etwas mürrisch gebrummelt: „Ist doch kein Urlaub, sowas!“
In Las Palmas wartet neben kleineren Bootsoptimierungen, Pflege (Oh, how dirty) und Ausrüstungskomplettierungen auch die theoretische und mentale Vorbereitung auf den Törn. Und wir müssen entscheiden, ob wir uns ein Wetter-Routing kaufen, die Leute von der Thyra haben uns das wärmstens ans Herz gelegt. Und die haben 2017 gewonnen… Nicht dass es für uns sonst auch irgendwann heißt: Atlantic is closed.