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02 December 2019 | North Atlantic Ocean 76 NM SW Tenerife
Alfred and Petra
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.. Stunden verspätet starten wir als letztes ARC-Boot. Aber wir können die nördliche Route nehmen laut
einem Routing von Wetterwelt. Es werden für die ersten 1000 sm durchgehend gute Passatwinde aus NE bis
NNE, ja manchmal sogar aus Nord prognostiziert. Nur südlich der Kanareninseln Gran Canaria und Teneriffa
könnten Windabdeckungen Flauten hervorrufen, ein Ausweichen sollte mit einem Abstand von 30 bis 50 sm
sicher möglich sein. Mareike Guhrs Blog in der Yacht spricht davon, dass ihre Moana noch 2300 Seemeilen vor
dem Bug hat, da sie in der ersten Woche weit nach Süden ausgewichen sind und in einigen Flautenlöchern
steckten. Wir müssen also nur�" 400 Seemeilen aufholen.
Die Diskussion mit Wetterwelt ergab weiterhin, dass wir überwiegend Raumschotskurse, ja manchmal sogar
Halbwindkurse fahren werden, so dass wir uns entschlossen, die Passatsegel wieder in den Sack zu stecken
und unsere gute alte 108%-Genua einzusetzen. Neben Proviantstauen und Boot klar machen auch nochmal
ein ordentlicher Posten im Zeitplan des letzten Tages. Trotzdem feierten wir noch einen kleinen Abschied
zusammen mit einer polnischen Familie, die auf ihrem Boot in der Marina schon seit drei Jahren lebt und mit
denen wir uns angefreundet hatten. Das war auch deshalb so schön, weil sie uns am nächsten Morgen
zusammen mit unseren Freunden Susanne und Werner am Steg verabschiedeten. Viele Fotos wurden
gemacht, und Woytek hatte eine Tröte mit, nein zwei. Zuerst, beim Ablegen, blies er sie einzeln
hintereinander. Irgendwann fand er heraus, dass ein gleichzeitiges Blasen einen dissonanten Akkord
hervorrief, der so richtig nach Abschied klang. Er hatte wirklich viel Luft. Es war ein Abschied, wie wir uns ihn
gewünscht hatten, fast ebenso schön, wie der der ARC, denn uns allein galt die ganze Aufmerksamkeit der
Zurückbleibenden.
Um 10:48 Uhr am Sonntagmorgen querten wir dann die amtliche und nun virtuelle Startlinie der ARC, 166
Stunden nach dem Start eine Woche vorher. Der Wind legte gut los, als wir etwas von der Küste wegkamen,
und blieb dann den Rest des Tages so bei Bft 6 mit Böen bis 30 Knoten. Wir waren doch froh, diese
Bedingungen nicht schon mit den noch nicht so vertraut gewordenen Passatsegeln meistern zu müssen. So
konnten wir im gewohnten Stil reffen, erst das Groß ins 1. Reff, dann die Fock, dann das zweite Reff im Groß.
Als die Sonne unterging, so um 19:00 Uhr, wurden die Bedingungen eher härter. Falls in der Nacht noch mehr
kommt ist selbst das Groß im 2. Reff zuviel. Und der Bullenstander verhindert zwar ganz gut das Schlagen des
Segels bei den doch recht ansehnlichen Wellen, aber wenn es mal dicke kommt in der Nacht, ist er auch
keine Garantie für ein Vermeiden einer Patenthalse. (So erging es einem ARC-Boot, dass dann zur Reparatur
zurückfahren musste). Jedenfalls bargen wir das Groß vollständig und segelten nur mit der Genua weiter. Das
ging auch erst noch ganz gut, aus den sicheren 7 Knoten Fahrt wurden dann 6, aber als der Wind um
Mitternacht weiter abnahm, fuhren wir teilweise nur noch 4 Knoten. Und in der Nacht auf's Vorschiff,
Zeisinge vom Baum runter, Fall freimachen, Bullenstander setzen? Irgendwie war uns noch nicht danach. Der
nächste Morgen kommt bestimmt, und bei Tage geht alles viel leichter.
Trotzdem schafften wir ein 138 sm Etmal (Distanz in 24 h). Für den Anfang doch gar nicht so schlecht. Würde
vielleicht ganz knapp reichen, denn 138 sm x 20 Tage 2760 sm
Blogeintrag 2.12.2019, 1230 UTC (Petra)
sonnig, 26 Grad, fast wolkenloser Himmel, aber leider kein Wind (2,5 Knoten) - nach einer halben Stunde
klappernder und schlagender Segel drücke ich schweren Herzens auf den Startknopf - wie illusorisch zu
denken, wir könnten aufgrund der superguten Wettervorhersage möglicherweise die ganze Strecke segeln,
ohne die Eisengenua anwerfen zu müssen. Alfred schreckt aus seinen süßen Träumen auf - oh, wirklich kein
Wind? Wetterwelt hatte uns einen Wetterbericht vorgelegt, der durchgehend aus Bft. 5-6, in Ausnahmen mal
4 Bft. besteht. Oder sollten dies noch die Windabdeckungen südlich von Teneriffa sein? Die Küste ist 70
Seemeilen entfernt!
Gestern Abend fing unser Gemüse schon an, verwertungsreif zu werden - die Tomaten schaukelten wild und
schlugen im Netz immer gegen die Glasscheibe der Pantry - da musste ich schon mal die ganzen Tomaten
umsortieren und die erste Matschtomate wird jetzt von Alfred im Salat verarbeitet, weil auch die Salatherzen
schon den Geist aufgeben. Alfred schlug die Hände über den Kopf zusammen, als er die Massen Gemüse und
Obst sah, die angeliefert wurden. Wir versuchten, es so gut es ging zu verstauen. Es endete damit, dass eines
der Netze quer über den Durchgang im Salon gespannt werden musste, so dass man, um in die Koje zu
kommen, erst mal tief abtauchen muss. Das hält fit. Das Gute daran ist auch, dass wir so gezwungen sind,
immer etwas Gesundes zu kochen - obwohl wir nicht immer Lust dazu haben und lieber schlafen würden.
Alfred reißt alle Luken auf - 24 Grad unter Deck plus heißer Dampf von gekochtem Broccoli 28 Grad. Immer
noch nur 3 Knoten Wind.
Oh, es kommt Wind auf. 20 Knoten, war wohl doch die Windabdeckung von Teneriffa, die wir jetzt verlassen.
Und wir haben noch das ungereffte Groß und die Bimini oben. Ich muss Schluss machen.