Fazit der Atlantiküberquerung
27 March 2020 | Martinique, Le Marin
Petra | Hot
Dies ist Petras Bericht zu unserer Atlantiküberquerung im Dezember letzten Jahres, hiervor steht der von Alfred.
Es hat ein wenig gedauert, diesen Törn Revue passieren zu lassen, Gedanken zu sammeln, und auch, um viele wertvolle Gespräche in die Berichte mit einfließen lassen zu können. Letztlich haben wir jetzt hier in Martinique, wo wir aufgrund der Covid-19-Krise gestrandet sind, auch die notwendige Muße
Noch kurz zur Info: in der Gallery findet sich auch ein Album mit einigen Bildern zur Überfahrt. Wir hoffen zukünftig, auch noch einige Video-Schnipsel einfügen zu können, diese müssen allerdings zwangsläufig aus YouTube gelinkt werden. Mal sehen, ob wir das wollen und können.
Nun aber los, hier ist Petras Bericht von der Überfahrt:
Hart. Tough. Anstrengend. Nordroute eben. Hat es Spaß gemacht? Ja, es gab Momente, magische Momente, natural highs, würde man jetzt auf Neudeutsch sagen. Die kleinen Freuden des Alltags auf See - Happiness is when…
• wir die aufgeriebenen Leinen des Hydrogenerators erfolgreich ausgetauscht haben und er sich gut heben und senken lässt - wir sind dann erleichtert, weil die Stromversorgung gesichert ist
• Alfred und ich uns wortlos verstehen – Manöver laufen routiniert ab, ein kurzer Blick, eine Geste und ein Lächeln, zum Abschluss ein „High five“
• eine Mahlzeit nach einem Kampf gegen die Schwerkraft gut gelingt und schmeckt
• wir gut geschlafen haben
• ein Vogel zu sehen ist und sogar zu uns fliegt, mehrere Runden um das Boot herum dreht, das Boot begutachtet und überlegt, darauf zu landen, meist Tölpel und Seeschwalben, es dann lieber lässt, weil das Rigg so sehr schaukelt
• das Boot gut vor Wind und Welle läuft, ich am Steuer stehe wie eine Surfqueen auf dem Thron und das Boot eine 4-5-Meter-Welle perfekt mittig ohne Ruderdruck hinuntersteuere und das Boot mit 8, 9, 10 Knoten dahinrauscht
• bei einem Squall kein Regen fällt
• ein Squall uns schneller ans Ziel bringt, er dann aber auch überstanden ist
• ein Squall an uns vorbei zieht
• die Sonne scheint
• der Autopilot gut gegen die Luvgierigkeit und Welle steuert
• E-Mails von meiner Mutter, meinen Kindern und von Freunden kommen
• die Ankunft immer näher rückt, Land in Sicht ist
Im Nachhinein hatte ich den Eindruck, dass uns nicht so richtig bewusst war, worauf wir uns einlassen, wenn wir die Nordroute fahren. Eigentlich dachte ich vor unserer Überquerung, dass die Nordroute nur etwas für die ganz Harten ist, für die Racing division und die ambitionierten Leute wie Seppo, der Finne, der 2013 die ARC gewonnen hat. 2017 habe ich mit meiner Frauencrew versucht, die Nordroute zu fahren, habe sie dann jedoch abgebrochen, weil zu starke Winde und zu hohe Wellen vorausgesagt worden waren. Jetzt war es aber so, dass Wetterwelt uns eine „gute“ Wettervorhersage für die erste Woche gab, Halb- und raumen Wind für die erste Woche und wir hofften, das Rallye-Feld noch einholen zu können. Wir dachten nur, dass wir damit schnell ans Ziel kommen würden. Wir sahen uns den Prerouting-Bericht an, redeten jedoch nicht darüber, was es bedeutet, wenn wir mit 5-7 Bft. und 3-5 Meter Wellen segeln müssen und das drei Wochen lang. Außerdem haben wir die Squalls nicht mit bedacht, die Schauerböen, die uns fast jeden Tag mehrmals heimsuchten. Es war also vor der Abfahrt gar keine Rede davon, die Südroute in Betracht zu ziehen, obwohl mir eigentlich klar war, dass sie allgemein die angenehmere ist. Wahrscheinlich, weil ich zu sehr mit meiner Krankheit, dem Gesundwerden und den Vorbereitungen der Überfahrt beschäftigt war. Ich bin jetzt aber stolz, von den drei Atlantiküberquerungen, die Nordroute das erste Mal gefahren zu sein. Und gemeinsam mit Alfred diese besondere Herausforderung zu zweit geschafft zu haben.
Würde ich es nochmal tun? Ja, auf jeden Fall. Das ist ja im Grunde auch die Bedingung dafür, dass wir weiter um die Welt kommen - die Bereitschaft, lange Strecken zu fahren. Es stehen uns noch bevor: evtl. (falls Corona es zulässt) die Strecke nach New York und zurück (allerdings mit Stops unterwegs), der Pazifik von Panama über Galapagos zu den Marquesas, Polynesien nach Neuseeland, Australien zu den Seychellen/Mauritius, Südafrika nach Brasilien und am Ende von der Karibik zurück nach Europa.
Womit ich mich vor der Überfahrt nie so richtig beschäftigt habe, aber immer schon gerne mehr darüber wissen wollte, ist das VMG, velocity made good, die Geschwindigkeit, mit der man sich zum Ziel hinbewegt. Das ist ja beim Segeln wichtig, weil man beim Segeln nicht wie beim Autofahren einfach direkt auf das Ziel hinfahren kann, sondern kreuzen muss, weil die Segel immer in bestimmten Winkeln vom Wind beweht werden müssen. Das war während der Überfahrt immer wieder ein Thema für uns, obwohl es uns oftmals egal war, weil wir so erschöpft waren. Alfred und ich konnten uns gegenseitig nie so richtig von unserer jeweiligen Meinung überzeugen, weil wir beide zu wenig darüber wussten, also nicht beweisen konnten, warum der eine oder andere Kurs jetzt der effektivere ist: mehr vor dem Wind zu segeln, direkter zum Ziel, aber langsamer (Alfreds bevorzugter Kurs) oder eher mit raumem Wind zu segeln und schneller, jedoch weiter weg vom Ziel (mein bevorzugter Kurs, auch weil sicherer vor Patenthalsen). Es gab also hin und wieder darüber klitzekleine Spannungen zwischen uns. Ich denke, in Zukunft ist die Lösung, dass jede und jeder weiterhin in seiner Wache so segeln sollte, wie er oder sie es für richtig erachtet, denn jeder von uns gibt immer sein Bestes. Natürlich müssen wir beide darüber reden, welches unser Ziel ist. Meistens haben wir ja das gleich Ziel, bald anzukommen. Das Gute ist, egal, wie man fährt, letztendlich kommt man doch an, früher oder später.
Um unsere Kommunikation noch weiter zu optimieren, wollen wir bei unseren nächsten Törns die Skipperin oder den Skipper des Tages und bei längeren Törns eventuell die Skipperin/den Skipper des gesamten Törns festlegen. So gibt es meiner Meinung nach weniger Diskussionen und mehr Entscheidungsfreiheit für diejenige, die gerade Skipperin ist (Männer sind in der weiblichen Form mitgemeint). Für die restliche Crew kann das dann auch sehr angenehm sein, weil sie dann etwas Verantwortung abgeben kann. Trotzdem werden wir dann weiterhin Wichtiges gemeinsam besprechen und planen. In einem anderen Post werden wir dann berichten, wie wir uns das vorstellen und wie das funktioniert hat...