Was geht?
03 May 2020 | Le Marin, Martinique
Alfred | Hot
Bis heute morgen waren wir ziemlich entspannt. In der Funkrunde letzten Dienstag, die über UKW-Funk für alle Segler um Martinique speziell zum Thema Hurrikans stattfand, wurde deutlich gemacht, dass kein Zeitdruck herrscht, beginnt doch die Hurrikan Saison zwar im Juni, aber die Wahrscheinlichkeit, dass selbst bis Ende Juli einer über Martinique hinwegzieht, wurde von den erfahrenen „Locals“ als äußerst gering eingeschätzt. Es wurde darauf hingewiesen, dass im Falle eines Hurrikans bzw. eines tropischen Sturms, der sich über dem Nordatlantik bildet, genügend Zeit bleiben würde, ihm nach Süden auszuweichen. Und dies würde eh erst frühestens im August geschehen. Und bis dahin wollen wir längst in Grenada sein. Also keine Panik, alles unter Kontrolle.
Martinique wurde 2007 Ende August von Hurrikan Dean getroffen. Durchschnittlich findet solch ein Ereignis für Martinique alle 13 (Kategorie 1+2) bzw. 37 (Kategorie 3 bis 5) Jahre statt. Hm, schnell gerechnet: statistisch gesehen müsste also bald mal wieder einer kommen. Zumal die Meteorologen für dieses Jahr 2020 eine „abnormal high“ Hurrikan-Aktivität voraussagen, wegen der Wassertemperaturen und El Nino/La Nina.
Grenadas statistische Wahrscheinlichkeiten sehen etwas günstiger aus. Ivan verwüstete Grenada Anfang September 2004, durchschnittlich wird Grenada alle 30 bzw. 50 Jahre von einem Hurrikan getroffen. Es bleibt also - statistisch wohlgemerkt – noch ein wenig Zeit bis zum Nächsten. Deshalb wollen wir auch dorthin, wenn es ab August ernst wird. Wir wollen dort das Boot an Land stellen, um dann für die Hurrikane-Zeit in Deutschland zu bleiben. Ihr erinnert Euch? Der ursprüngliche Plan war es, an der US-Ostküste nach New York zu segeln, und so den Hurrikans auszuweichen.
Aus zwei Gründen mussten wir diesen Plan fallenlassen: erstens weil ich (Alfred) zu blöd bin, Einreisebedingungen zu verstehen. Dachte ich doch, dass ein ESTA-Visum für eine Einreise in die USA geeignet ist, egal, mit welchem Verkehrsmittel. Ein ESTA-Visum ist aber eine Vereinbarung der USA mit den großen Fluggesellschaften, nur wenn man mit denen einreist, ist ESTA gültig. In allen anderen Fällen benötigt man ein richtiges Visum, in meinem Falle ein Besuchervisum B2, welches nicht so superleicht zu beschaffen ist. Man muss zu einer Botschaft, sich interviewen lassen, und auch sonst noch so Einiges Andere erledigen und bezahlen. Ohne die Pandemie hätte ich das wahrscheinlich sogar noch hinbekommen. Die Botschaften auf den Bahamas/Nassau und Barbados, sowie vielleicht auf Grenada stellen ein B2-Visum auch für „Third Country Nationals“, also für Leute, die nicht aus dem Land der Botschaft kommen aus. Bei Grenada sind wir uns noch nicht ganz sicher, wird gerade geklärt. Wie dem auch sei, die Grenzen und natürlich auch alle Botschaften dieser Länder sind bis auf weiteres noch geschlossen, und wenn sie öffnen, muss erst ein Termin bei der Botschaft her. Das wird so schnell nicht laufen. Nicht schnell genug jedenfalls, um danach noch die knapp 2000 Seemeilen bis in die USA zu segeln. Und zweitens ist uns die USA zurzeit mit ihrem „Krieg gegen Corona“ nicht ganz geheuer.
Bis heute Morgen waren wir also entspannt, wie gesagt. Auch deshalb, weil die Admiral Marine Versicherung uns ein Angebot gemacht hat, unser Boot auf Grenada auch im Falle eines Hurrikans zu versichern. Allerdings nur, wenn wir für den Fall, dass das Boot im Wasser ist, an Bord bleiben und ggf. einem Hurrikan ausweichen (s.o.). Oder das Boot an Land stellen.
Meine derzeitige Hamburger Yachtversicherung (HYV) ist übrigens hart geblieben. Keine Deckung nördlich von 10° Nord, selbst Trinidad ist da nicht mit drin. Die Admiral Marine gibt Deckung für benannte Hurrikans bis 12°40‘, da sind ungefähr die Tobago Keys. Südlich davon dürfen wir also bleiben, die nördlicheren Inseln St. Lucia, St. Vincent und natürlich auch Martinique gehören nicht dazu. Freundlicherweise stundet mir die HYV die bereits bezahlte Prämie, und ich kann dann nächstes Jahr wieder zurück wechseln. Immerhin. Aber welch ein Aufwand. Und welch ein Glück, dass wir diese Versicherung gefunden haben, vielen Anderen ist das bisher nicht gelungen. Petra hatte den Versicherungsvertreter Robert 2017 bei der ARC kennengelernt, er hatte ihr Boot damals versichert. Und 2019 stand er dann in Las Palmas wieder vor unserem Boot und war glücklich, einen weiteren Besitzer einer X-Yachts Xc 38 gefunden zu haben, denn er hatte sich das gleiche Boot gekauft.
Ein weiterer ziemlich schwerwiegender Knackpunkt unserer Situation ist ein fehlender Stellplatz an Land. Da wir diese Möglichkeit erst relativ spät in Erwägung gezogen hatten, haben wir auch erst relativ spät die drei in Frage kommenden Marinas an Grenadas Südküste angefragt, leider bisher ohne Antwort. Wir hoffen auf eine Klärung bis Ende nächster Woche, aber angesichts der vielen Segler, die noch irgendwo unterkommen wollen, habe ich nicht das allerbeste Gefühl bei der Sache.
Zurück zur Entspannung: es wäre wirklich schön gewesen, wenn die Nachrichten zu Grenzsperrungen, Visum- und Stellplatzsituation die einzig Schlechten geblieben wären. Aber heute Morgen kam die Meldung, dass Grenada seinen Flughafen bis mindestens (!) Ende Juli schließen würde und die Airport-Verwaltung schon 150 Mitarbeiter nach Hause geschickt hat. Also selbst wenn wir in Grenada demnächst einklarieren dürften, und auch einen Stellplatz an Land bekommen würden, wäre es äußerst unsicher, von dort wegzukommen!
Da fällt mir spontan Cuxhaven ein. Oder vielleicht erstmal die Azoren, dann die Kanaren oder vielleicht Lagos im Süden von Portugal. Doch zurück nach Europa?
Also, für den Fall, dass Grenada und USA keine Optionen bleiben, gibt es drei Weitere:
1. Curacao. Hurrikan Gefahr gleich null, KLM fliegt angeblich nach Europa, sogar nach Frankfurt, Bootsstellplätze an Land sind vorhanden, unsere Anfrage ist gestellt. Allerdings haben wir noch keine Bestätigung. Aber für den Fall, dass man uns aus dem Wasser krant und an Land stellt, und dann noch in das Land hineinlässt, wäre das eine echt gute Variante. Wir müssten lediglich schlappe 500 Seemeilen vor dem Wind ablaufen. Und endlich unsere Passatsegel einsetzen. Ein Ende des Lockdowns ist, wie in Frankreich, für den 11. Mai terminiert. Die Grenzen sind zurzeit zu, also müssen wir auch hier, wie in Grenada, auf eine Grenzöffnung hoffen.
2. Wir bleiben, wo wir sind, also in bzw. um Martinique. Wir weichen einem Hurrikan aus, so er denn kommt. Typischerweise wird 72 Stunden vor dem Eintreffen am eigenen Standort eine Zugbahnvorhersage des Wirbelsturms mit statistischer Abweichung angegeben, diese beträgt dann einen Kreis von 300 Seemeilen im Durchmesser für die eigene Position. Wir müssen also drei Tage vorher lossegeln und uns mindestens 150 Seemeilen in die richtige Richtung wegbewegen. Die Erfahrenen sagen, das ist für Martinique immer Kurs Süd. In 72 Stunden sollten wir sogar fast 400 Seemeilen nach Süden hinter uns bringen, denn unsere Etmale lagen bei der Atlantiküberquerung nie unter 130 Seemeilen wir befänden uns dann bereits deutlich südlich von Trinidad, dort war noch nie ein Hurrikan. Vorstellbar wäre es, einen Kurs anzulegen, der mit großem Abstand an Trinidad und vor allem Venezuela in südöstlicher Richtung vorbeiführt, denn an den Küsten dieser Länder gab es Vorfälle von Piraterie. Sobald der Hurrikan durchgezogen ist, drehen wir einfach um und segeln zurück dorthin, wo wir abhängig von der Pandemie-Situation ohne großen Aufwand wieder hereingelassen werden, möglicherweise also zurück ins europäische Martinique. Das würde aber bedeuten, dass wir nicht nach Deutschland reisen könnten, da wir ja permanent vor Ort mit einem Hurrikan rechnen müssten.
3. Die dritte Option steht uns bevor, wenn die Grenzen hier in der Karibik geschlossen bleiben, und wir unbedingt nach Deutschland müssen – was notwendig sein könnte z.B. meinen ablaufenden Reisepass zu verlängern oder aus medizinischer Sicht. Leider habe ich mir einen kleinen Leistenbruch zugezogen, der mich zwar nicht behindert, aber sicherheitshalber behandelt werden sollte. Das wäre ein Törn zurück nach Europa, mit Zwischenstopp auf den Azoren, wo man unter Quarantäne ankern und sich neu verproviantieren darf. Welches Ziel in Europa wir uns dann aussuchen würden? Darüber haben wir schon ein wenig spekuliert: idealerweise Portugal oder Spanien, also nach Lagos in der wunderschönen Algarve oder zu einer kanarischen Insel, zum Beispiel Gran Canaria. Las Palmas soll ja einen recht großen und günstigen Hafen haben, sagt man… Ob diese Länder uns einreisen lassen würden, bleibt abzuwarten. Falls nicht, bleibt wirklich nur Deutschland. Der erste Hafen wäre dann Cuxhaven, den kennen wir schon. Gar nicht schlecht da. Aber soweit ist es noch nicht. Erstmal bleiben wir noch brav hier in Le Marin in der Marina. Und wie wir hier unsere Zeit verbringen, ohne einen Lagerkoller zu bekommen, das wird Petra im nächsten Post beschreiben. Nur so viel. Es geht uns gut.