Ein kleiner gelber Freund
09 June 2020 | Grenada, Anchorage St. George's
Petra | sunny, cloudy and rainy
Es ist inzwischen der 5. Tag unserer Quarantäne vor Anker. Gestern hatte ich ein ganz besonderes Erlebnis, als wir mal nach dem Anker geschnorchelt sind. Wir prüfen jeden Tag, wie die Ankerkette und der Anker liegen, weil wir hier sehr schlechten Ankergrund haben - steinig, hart, voller alter abgebrochener Korallen. Der Anker ist also nicht schön in weichem Sand eingegraben, sondern liegt auf einem harten Untergrund, etwa 2-3 cm der Spitze liegen hinter einer Stein- oder Korallenrestplatte. Dafür schlängelt sich die Ankerkette um verschiedene kleine und größere Steine, die uns Halt geben. Wenn der Wind das Boot wegdrückt, ist der Hauptwiederstand der Kette an diesen Steinen und kommt trotz starken Zugs bei einer Drehzahl von 2500 des Motors im Rückwärtsgang nicht beim Anker an. Kurz gesagt, die Ankerkette hält das Boot und der Anker bewegt sich kein bisschen. Wir können also beruhigt schlafen. Nach dieser Aktion schnorchele ich noch ein wenig herum, um mir die Fische anzusehen, die hier auf dem Meeresboden leben. Kurz vor dem Boot schwimmt plötzlich ein kleiner silber-gelber Fisch ganz nah bei mir - er ist ca. 4-5 cm lang und von einem knallgelben Streifen vom Scheitel bis zur Schwanzflosse umrahmt. Ständig schwimmt er um mich herum. Ich versuche mich ganz langsam zu bewegen. Fast kann ich ihn anfassen - so als würde er darauf warten, gestreichelt zu werden. Als ich ihn beinahe berühre, bewegt er wieder seine kleinen, zarten Flösschen, um gerade so weit fortzuschweben, dass der Sicherheitsabstand von 5-10 cm gewahrt wird. Er umrundet mich, schwimmt hinter mir - ich bewege meine Flossen und Arme ganz vorsichtig, um ihn wieder sehen zu können. Er bleibt bei mit, bestimmt 10 Minuten, begleitet mich schließlich bis zur Badeleiter, wo ich ihn schweren Herzens zurücklasse. Wieso macht er das? Ist er ein besonderes Tier, das sich einfach anders verhält als seine Artgenossen, die alle in der Sicherheit der Korallen und Steine auf dem Meeresgrund bleiben, weil es so neugierig und leidenschaftlich ist wie die Möwe Jonathan oder weil es nach seiner Familie sucht wie Nemo? Als ich auf die Badeplattforrm klettere, erzähle ich Alfred ganz begeistert davon. Er vermutet, dass es an meinen gelben Flossen liegen könnte. Schade, denke ich, jetzt ist er weg. Als Alfred und ich ein paar Stunden später noch einmal schnorcheln, ist er wieder da! Er schwimmt jetzt zwischen uns hin und her. Alfred traut seinen Augen kaum - es ist tatsächlich wahr! Wir haben einen neuen Freund - wie soll er heißen? Liebe Leserinnen und Leser, macht bitte Vorschläge, dann suchen wir einen Namen aus und taufen unseren kleinen Freund.
Seit wir hier sind, macht sich die Regenzeit bemerkbar - wie angenehm! Jeden Tag gibt es immer wieder viele Wolken und zwischendurch einen Schauer - wir freuen uns sowohl über die Abkühlung als auch über das Wasser, das wieder von der Bimini in unsere zwei Eimer tröpfelt. Am zweiten Tag regnete es so viel, dass beide 5-Liter Eimer voll waren und wir das Wasser zum Spülen des Geschirrs oder auch der Haare verwenden konnten. Alfred hat sich besonders darüber gefreut, dass durch den Regen das ganze Salz vom Boot gespült wurde, das sich auf der Fahrt hierher z.T. in Form von schönen Fleur de Sel-Kristallen angesammelt hatte. Da wir viel Energie brauchen, um den Wassermacher laufen zu lassen, versuchen wir sehr sparsam mit dem Wasser umzugehen. Unsere Stromlieferanten, Solarpaneele und Windgenerator erzeugen zur Zeit leider nicht genug Strom, um die Kühlschränke und den 12-Volt-Anschluss für das Laden der elektronischen Geräte wie Handies und Laptops 24 Stunden zu versorgen, Deshalb verwenden wir nur alle 1-2 Tage Süßwasser zum Duschen und trocknen das Salzwasser nach dem Schnorcheln oft einfach kurz ab.
Jeden Tag nehmen wir uns ein paar Projekte vor, schaffen aber meistens nicht alle. Heute hat Alfred z.B. dem deutschen Konsul von Grenada eine E-Mail geschrieben, um herauszufinden, welche Flüge es nach Deutschland gibt und wie wir uns in Deutschland verhalten müssen, wenn wir zurückkehren. Außerdem las er mir einige Infos vom Auswärtigen Amt vor. Wir bereiten also unseren Aufenhalt hier auf Grenada und unsere Reise nach Deutschland vor. Ich suche schon seit einigen Wochen nach Flügen, buche aber nichts, weil wir nicht wissen, ob die Flüge tatsächlich stattfinden. Unser Favorit ist zur Zeit ein Air Canada-Flug von Grenada über Toronto mit 20 Stunden Aufenthalt und einem Anschlussflug nach Frankurt. Eventuell übernachten wir in einem Hotel im Flughafen, wenn das in Transit möglich ist. Zwischendurch mache ich seit drei Tagen täglich 1-2 Stunden einen Online-Kurs im Online Teaching - für die Zeit in Deutschland. Vielleicht nutze ich diese ungewisse Zeit, in der wir noch nicht wissen, wie es weitergeht, um ein wenig Vertretungsunterricht zu machen und etwas Geld zu verdienen. Heute hat Alfred auch unseren Krantermin organisiert - den 8. Juli! Bis dahin haben wir nach der Quarantäne noch ca. 2 Wochen Zeit in den schönen Buchten im Süden der Insel zu ankern und eine Woche lang das Boot für den Landaufenthalt vorzubereiten. Nach dem Kranen wollen wir noch die Insel mit einem Mietwagen zu besichtigen.
Jetzt gibt es gleich Abendessen! Alfred hat das leckere Ratatouille aufgewärmt, das wir vorgestern gekocht haben, mit Reis und Hacksteaks - hmmmm!