26 January 2021 | Grenada, St. Davids Bay
Nie hätte ich gedacht, dass ich mich in der St. Davids Bay am Steg der Grenada Marine Bootswerft so wohl fühlen würde. Mein erster Eindruck ging eher ein wenig in die Richtung "spooky". Crazy sailors, Männer, die schon monatelang an ihren Booten rumbasteln, oder wochenlang allein in der Bucht Ankern. Dann einheimische freakige Fischer, die uns mit ihrer extrem lauten karibischen HipHop-Reggaemusik ganz schön auf die Nerven gehen. Die Bootswerft-Leute, die von überall her hier gestrandet zu sein scheinen und den "Laden" irgendwie im karibischen Stil am Laufen halten. Dabei bei fast allen Seglern mehr oder weniger starken Unmut über die ausgeführten Arbeiten hervorrufen - wenn sie denn überhaupt ausgeführt werden. Durch die Pandemie ist der Betrieb der Werft auch überaus überschaubar, wenn mal ein Boot pro Woche zu Wasser gelassen wird, ist das schon viel. Das Restaurant Laura's in der Bucht ist geöffnet, aber zahlende Restaurantgäste sind ebenfalls selten, wir halten das Restaurant noch am ehesten am Laufen. Die einsamen Männer treffen sich auf ein Bier oder mehr, that's it. Wie gesagt, ein wenig spooky irgendwie.
Nach dem zu-Wasser-Lassen haben wir uns erstmal eine unserer berüchtigten Todo-Listen erstellt. Ich war so übermotiviert, dass ich nach zwei Tagen gemerkt habe, ich mache irgendwas falsch. Es ist heiß. Man schläft nicht immer gut bei 30°C in der Koje. Ich bin nicht mehr der Jüngste, und es zwickt hier und da. Das brachte mich an den Rand der Erschöpfung. Naja, fast. Also haben wir ein paar Leitzätze aufgestellt:
Pausen machen. Den karibischen Lifestyle verstehen und leben. Es ist nicht Ostern in Großenbrode. Wir haben Zeit. Keiner treibt uns.
Danach ging's besser. Wir entdeckten den Swimmingpool, wir legten die Außenarbeiten auf den frühen Vormittag oder den späten Nachmittag, und hielten mittags Siesta. Der Fisch in Lauras Restaurant wurde immer besser, und wir lernten die Fähigkeiten der einzelnen Werftarbeiter immer mehr kennen und schätzen. Wir begannen, am späten Nachmittag kleine Spaziergänge in der Umgebung zu unternehmen. Wie schön die Bucht aussieht, wenn man sie von Weitem und von oben anschaut!
Wir lernten uns mit Lebensmitteln zu versorgen, auch die Straßenhändler in der Umgebung zu nutzen, und man hält ein Pläuschchen mit jedem, den man trifft. Es sind ja nicht allzu viele und man kennt sie alle.
Und dann kam der Tag, an dem alle Arbeiten ruhten: Petras Geburtstag. Schon Tage vorher hatten wir uns darauf gefreut, wollten wir doch den Geburtstag mit einem Besuch des Magazine Beach und anschließendem Dinner im Restaurant Aquarium feiern, dem schönsten Strandrestaurant Grenadas. Und es kann sicherlich noch mit einigen Anderen in der Karibik gut mithalten. Shademan (lokaler Taxifahrer für Segler) chauffierte uns hin und abends auch zurück, so dass wir uns sogar einen kleinen Cocktail genehmigen konnten. Den Nachmittag verbrachten wir an einem schattigen Plätzchen unter einem Baum mitten auf dem endlos langen weißen Strand. Petra erzählte begeistert von den Fischen, die sie beim Schnorcheln bewundert hat. Wir genossen den Sonnenuntergang mit Rumpunsch und Mojito, unser Tisch befand sich mehr oder weniger direkt auf dem Strand. Postkartenbilder mit Palmen, Felsen, Strand und Meer, im Hintergrund St. Georges mit seinen Lichtern.
Wir hatten an dem Tag besonders und danach auch noch an so manchem anderen Tag in der Bucht das Gefühl, viel besser geht es möglicherweise nicht. Es macht Spaß, am Boot zu arbeiten ohne Stress, zu erleben, wie ein Mangel nach dem anderen (und es waren mehr als nach einem Winterlager-Aufenthalt in der Tennishalle!) beseitigt wird, sich das Boot und die Ausrüstung immer mehr der Seetüchtigkeit nähern, die wir für große Fahrt brauchen. Vergessen sind dann abends die endlosen Suchereien nach Werkzeug, Material und Ersatzteilen oder das Stauen von Gegenständen. Allein unsere Hygiene- Medizin- und Sanitärartikel, die wir aus Deutschland mitgebracht hatten neu zu verstauen, kann schon mal einen Tag dauern. Alles muss seinen festen Platz bekommen, nichts darf lose irgendwo rumliegen. Was abends bleibt ist die Freude über den Fortschritt, das Gespür dafür, bald geht's los, bald werden wir wieder segeln.
Das erste Traumrevier, dass wir ansteuern möchten, ist Carriacou, eine Insel ca. 40 sm nördlich von Grenada. Sie gehört zum Staatsgebiet von Grenada, wir können uns dort also ohne Einschränkungen bewegen. Berichte von Traumstränden, tollen Riffen, wo man beim Schnorcheln Rochen und Schildkröten zu sehen bekommt, lassen unsere Vorfreude immer wieder ansteigen. Wir haben auch unsere letzte große Baustelle gestern beseitigt, den defekten Kicker. Er hat jetzt zwar eine feste Position, aber er hält den Baum. Der Großsegeltrimm leidet etwas, aber das ist sicherlich vertretbar. Das Ersatzteil aus Dänemark von war für den 1. Februar avisiert. Heute (27.1.) teilte uns die Werft mit, dass er bereits auf Grenada ist! Nach 6 Tagen! Das ist vor allem auch deshalb äußerst erstaunlich, da ich ein Paket, das ich selbst aus Braunschweig versendet hatte, genau nach 54 Tagen entgegennehmen konnte. Bleibt noch zu hoffen, dass die Verzollung, die bei meinem Paket nochmal fast zwei Wochen gedauert hat, in diesem Falle in wenigen Tagen abgewickelt wird. Dann bräuchten wir das Provisorium des festgesetzten Kickers nicht mehr, und könnten wieder einen Original-Stoßdämpfer einsetzen.
Kurz hier noch die wichtigsten technischen Neuerungen und Reparaturen:
• Motorbatterie-Schalter ausgetauscht (ihr erinnert euch? Das war das Teil, dass auf
der Atlantiküberfahrt den Motor zum Erliegen gebracht hatte. Die Schalter von X-
Yachts waren in dem 54-Tage-Paket ...) (Werft)
• Die Luke in der Toilette neu abgedichtet (Werft)
• Neue Bimini installiert (Werft)
• Neues Solarpaneel-System auf der Bimini in Betrieb genommen (bringt ca. 30%
mehr als wir benötigen - und wir haben noch Windgenerator und zwei flexible
Paneele) (Werft)
• SSB-Radio, VHF-Funk und Satellitentelephon neu in Betrieb genommen (neuer
Laptop)
• Kühlschrank: Undichtigkeit beseitigt (Werft)
• Neue YCG-Flagge gesetzt
• uvm, s. Liste