Cyclone Five Elsa
30 June 2021 | Martinique, Le Marin, Cyclone Hole no. 2 vor Anker
Alfred | Rain, windy, not so hot
Nun ist es also doch passiert. Wir müssen einem tropischen Sturm ausweichen. Er soll Freitag, also in zwei Tagen ziemlich genau dort mit seinem Zentrum entlangziehen, wo wir gerade sind, nämlich im Süden von Martinique. Dorthin sind wir gestern von Dominica aus bereits gesegelt, um uns langsam Richtung Süden zu bewegen, dorthin also, wo "normalerweise" die tropischen Stürme nicht ziehen. Aber Martinique ist eben noch nicht südlich genug. Wir werden morgen also weitere 150 Seemeilen weiter nach Süden segeln, nach Grenada, wo der vorhergesagte Sturm keine Auswirkungen mehr hat.
Als wir uns nach einem wirklich traumhaften 100 Seemeilen-Törn der Bucht von Le Marin näherten, waren wir erstaunt, wie viele Boote sich hier aufhielten, an die 100 Boote bestimmt in der Bucht von St. Anne, wo wir letztes Jahr nach dem Ende des Lockdowns ebenfalls ankerten, und dann in der Bucht von Le Marin selbst: alles voller Boote, dicht an dicht, die Marine voll belegt, Hunderte Segelboote. Im Gegensatz zur Prince Rupert Bay von Dominica, wo wir zusammen mit vielleicht 5 Booten lagen, kam dann doch ein Gefühl von "hier kann uns nichts passieren" auf.
Als dann die Windstärken in den diversen Vorhersagen immer mehr zunahmen, die Wahrscheinlichkeiten eines tropischen Sturmes sich von 30 auf 80% erhöhten, kamen uns dann doch Zweifel, ob Le Marin der richtige Ort ist. Segler um uns herum fingen an, sich an den Mangroven festzumachen, was uns nicht geheuer ist.
Vielleicht zur Erklärung: von Dominica aus wollten bzw mussten wir aus zwei Gründen zuerst nach Martinique, und nicht gleich nach Grenada: Grenada verlangt einen PCR-Test bei Einreise, der auf Dominica 14 Tage gedauert hätte, und unser Tricolor/Ankerlicht ist defekt, das lässt sich in Martinique gut reparieren, bzw. ein Ersatzteil beschaffen. Klar haben wir ein wenig Vabanque gespielt, aber wenn alles gut geht, war es dieses Risiko allemal wert. Eindeutig ist Dominica die Insel mit dem größten Wander- und Naturerlebnispotential. Die Wanderungen, die wir dort gemacht haben, waren beeindruckend und völlig anders, als die alpinen Bergwanderungen, die ich bisher gemacht hatte. Es geht durch den Dschungel. Es gibt unendlich viele Früchte und Pflanzen zu bestaunen. Die Tierwelt ist ungefährlich, es sei denn, man entscheidet sich für einen Kampf mit einer Boa Constrictor. Und Jack Sparrow war auch schon da, eine Kahnfahrt den Indian River hinauf lässt ihn erahnen, und Joseph Conrads "Herz der Finsternis" spürt man auch ein wenig. Exotic pur. Vielleicht berichten wir noch mal detaillierter per post oder Video.
Ein deutscher Familienvater, der mit uns zusammen vor Dominica lag, meinte noch, als wir ihn fragten, was er von den NHC-Vorhersagen hielt: "so früh im Jahr mache ich mir erst Gedanken, wenn die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines tropischen Sturms bei > 60% liegt!" Nun, die hat er jetzt, und noch ein wenig mehr, zu dem Zeitpunkt lag die Wahrscheinlichkeit bei 30%. Gut, dass wir uns aufgemacht haben, auch wenn Dominica nicht so hart getroffen werden soll, nur Böen bis 40 Knoten. Aber vor Anker? Und weiß man so genau, ob nicht doch mal mehr kommt, oder die Zugbahn sich etwas ändert? Letzteres Risiko haben wir allerdings auch noch. Nach jetziger Vorhersage sind wir ab morgen Abend bei St. Vincent schon safe, unser ETA in der Quarantänezone von Grenada ist für Freitagmorgen angesetzt, dort bleibt es ruhig. Hier in Martinique soll es mit über 50 Knoten wehen, auch noch nicht überkritisch, aber wenn man es vermeiden kann, nehme ich einen erneuten 150 Seemeilen-Törn gern auf mich. Es soll allerdings die gesamte Dauer des Törns regnen...
Eben kam das PCR-Testergebnis, das ist wirklich Klasse hier, umsonst und so schnell. Und die 4 bis 5 Formulare für Grenada haben wir auch ausgefüllt. Dinghi und Außenborder noch kurz verstaut, Nudelsalat vorbereitet, einen letzten Wetterbericht runtergeladen, Ankerwache eingeteilt, Wecker gestellt. Wir sind bereit.