Mona Passage
15 January 2022 | Samana-Bucht, Dominikanische Republik
Alfred | Cloudy, Hot when Sunny, Showers
Vorbemerkungen
Schon 2019 zu Hause in Deutschland bei der Vorbereitung unserer Reise beschäftigte mich die Mona-Passage das erste Mal, musste man doch, um von den Kleinen zu den Großen Antillen und weiter zur US-Ostküste zu kommen, "irgendwo durch". Eine solcher Durchschlupf befand sich eben zwischen Puerto Rico und der Insel Hispaniola mit den beiden Staaten Haiti und der Dominikanischen Republik. Schon damals las ich von Strömungen, Winden und Wellen, die unserer kleinen Milena Bonatti durchaus gefährlich werden könnten. Wir hatten ja auch von Curacao kommend bewusst Puerto Ricos Südwestküste angesteuert, um nach der dreitägigen Überfahrt nicht auch noch weiter durch die Mona Passage segeln zu müssen. Durch den Stop konnten wir in Puerto Rico ein sicheres Wetterfenster für die Passage wählen.
Zusätzlich stießen wir noch auf den Wikipedia-Eintrag:"Die 130 km breite Meerenge ist einer der schwierigsten Seewege in der Karibik." Am Abend vor unserer Abfahrt trafen wir den Charterskipper Jay, auch Wellenreiter, der uns von den winterlichen Nordamerikanischen Tiefs erzählte, die an der Nordküste von Puerto Rico "up to 30 ft waves, really big waves" erzeugen konnten. Das mag am Meeresboden um Puerto Rico und die Mona Passage liegen, es gibt einen Puerto Rico Graben, dem von Nazare nicht unähnlich, und auch einen Mona Canyon, die für chaotische Wellen sorgen können. "Tomorrow you are fine," gab er uns mit auf den Weg. Na denn.
Die Windvorhersage war denn auch, etwas oberflächlich betrachtet moderat. Auf Windy war alles grün, (Windstärken 10 bis 20 Knoten), und unser Wetterprogram von Wetterwelt vermeldete eine schnelle Überfahrt der 160 Seemeilen bei halbem bis raumem Wind und kein Regen, keine Gewitter. Petra sagte noch irgendwas von Böen bis 28 Knoten und ein paar Regenschauer, aber das überhörte ich irgendwie.
Unsere Taktik war, uns möglichst stark von dem östlichsten Punkt der Dominikanischen Republik freizuhalten, dem Kap Engano mit seinen nach Osten flachen Ausläufern. Vor dem Kap steigt der Meeresgrund vom Puerto Rico Graben aus stark an (von über 1000 auf unter 100 m), und das könnte unangenehm für uns sein.
Es gibt in der Mona Passage neben der eher im Westen liegenden namensgebenden Insel Mona noch eine kleine Insel namens Desecheo, nur 12 Seemeilen von der Puerto Ricanischen Küsten entfernt. Die wollten wir knapp Steuerbord lassen.
Los geht's
Los ging's mit "Vent Zero" und einer guten Stunde Motorfahrt, bis sich eine leichte Brise zeigte. Wir hatten das zweite Reff noch drin, und ließen das erstmal, da ja hinter Desecheo Wind um 20 Knoten vorhergesagt war, und wir dann wahrscheinlich eh ins dritte Reff gehen müssten. Der Kurs bis zum Wegepunkt vor der Dominikanischen Republik zum Abbiegen in die Samana-Bucht passte, wir konnten ihn gut segeln, wie vorhergesagt, halber Wind, vielleicht manchmal leicht raumschots, also ein wenig mehr von achtern als von der Seite. Ein schneller Kurs. Trotz dem nun eingebundenen drittem Reff segelten wir durchweg 7 Knoten oder mehr. Ein schöner Segeltag. Für diesen Törn wollten wir mal eine neue und konsequente Wacheinteilung ausprobieren, strikte 4 Stunden für jeden. Um 18:00 Uhr ging's los, das leckere Abendessen (diesmal ein Nudelsalat) war erledigt, Petra machte sich gerade bettfertig, da ging's los. 20, 25, 30 Knoten Wind, dann guckte ich nicht mehr auf die Windanzeige, sondern hatte damit zu tun, die Genua einzurollen. Petra kam aus dem Waschraum und fragte, ob sie helfen könne. Konnte sie, indem sie mir meine Regenjacke hochreichte. Ölzeug zieht man in der Karibik nicht an, und so wurde ich schön nass "untenrum", Trotz Sprayhood, Bimini und eingesetztem Zwischenstück. Der Regen peitschte irgendwie von der Seite rein.
"Kannst Dich hinlegen, ist schon wieder vorbei," machte ich Petra Mut, wir wollten ja die Wachzeiten mal einhalten, aber es war schon wieder 18:30 Uhr.
Der Squall
Nach dem Squall nahm der Wind erstmal stark ab, um sich dann wieder auf um die 15 Knoten zu stabilisieren. Aber, wie wir wissen, ist nach dem Squall vor dem Squall, und so war's dann auch. Auf dem Radar war eh alles pink (bei uns sind die Radar-Ziele Pink) so wusste ich schon, irgendwann kommt wieder was. Das es allerdings so urplötzlich kam, hat mich dann doch überrascht. Ich ging zur Sicherheit ans Ruder, dass bisher der Autopilot sehr gut bedient hatte. Irgendwie muss ich mit dem Knie gegen den Schalter gekommen sein, der auf Handsteuerung umschaltet (oder, auch nicht auszuschließen, ich hatte instinktiv umgeschaltet, aber irrigerweise angenommen, noch auf Autopilot zu sein ...), jedenfalls machte sich Milena Bonatti selbstständig und, was tut sie, wenn man sie sich selbst überlässt? Sie luvt an. Gottseidank, denn ein Abfallen hätte katastrophalere Folgen. Das Vorsegel fing an zu killen (wild zu schlagen), was einen ziemlichen Lärm macht, zusätzlich zu dem tosenden Wind, der durch die Wanten heult. Ich musste an's Ruder, soviel stand fest. Schwierig war nur, dass wir das besagte Zwischenstück zwischen der Bimini und der Sprayhood eingesetzt hatten, mein Blick nach vorne war damit eingeschränkt. Der nach oben zum Verklicker auch. Ich kann mich nach hinten legen, wenn alles entspannt ist, und ihn sehen, aber in dieser Situation war das schwierig. Es war übrigens dunkel. Und der Regen kam waagerecht. Auf meine Brille, die mir Zugang verschaffte zu den beiden verbliebenen Informationsquellen, um zu beurteilen, auf welchem Kurs zum Wind und voraus ich segelte, nämlich einer Windrichtungsanzeige über dem Niedergang (ein kleines Display) und dem Kompass, der mit einem roten Licht beleuchtet ist, und von dem die Regentropfen genauso abperlten wie von meiner Brille. Ach ja, die Welle. Ca. 2 Meter, die das Boot auch nicht unbedingt auf Kurs hielten. Irgendwie schaffte ich es mit einzelnen Kompassinformationen und viel Gefühl, wieder abzufallen und den Kurs so halbwegs wieder anzulegen, so dass sich die Segel wieder füllten, und korrekt getrimmt weitersegeln konnten. Bei Nacht, ohne Sicht und mit Brille ohne Scheibenwischer. Petra stand wieder im Niedergang, was mich ein wenig aufmunterte, und fragte wieder, ob sie helfen könne. "Ist gleich vorbei", rief ich ihr zu, und so war es auch. Ich weckte sie dann etwas später, so dass sie zumindest ihre 4 Stunden Freiwache hatte.
Hasta la llegada siempre
Bei den nächsten Squalls passte ich besser auf. Petra berichtete von Ihrer Wache beim nächsten Wachwechsel um 02:00 Uhr ebenfalls von einigen Squalls, die sie aber auch gut managte.
Wir erreichten dann den Wegepunkt, von dem aus wir in die Samana-Bucht abbiegen wollten. Dummerweise lag dieser neue Kurs innerhalb unserer Kursverbotszone. Nach dem tödlichen Unfall bei der ARC 2021 bei einer unbeabsichtigten Halse (die sogenannte "Patenthalse") haben wir es uns auferlegt, den wahren Wind nicht mehr als 150°C von achtern einfallen zu lassen, um sicherzugehen, dass wir keine Patenthalse bauen. Zusätzlich zu dem "Bullenstander" den wir natürlich auf solchen Kursen immer gesetzt und nach dem ARC-Ereignis nochmal verstärkt haben (von 8-10 mm auf 12 mm Leinendurchmesser).
Wir steuerten also nicht in die Samana-Bucht hinein, sondern auf die Nordostspitze der Samana-Halbinsel zu. Ein paar Seemeilen bevor wir diese erreichten, halsten wir und erreichten so unsere ursprüngliche Kurslinie wieder. Hat nicht weh getan, wir rissen nur ein wenig die Zeitvorgabe unserer Wetterwelt-Experten, aber das ist ja auch schon eher die Regel als die Ausnahme.
Wir hatten uns per Mail zwei Tage vorher bei der Puerto Bahia Marina/DomRep angekündigt und ein ETA von 13:00 Uhr vereinbart. Auf Basis der Wetterwelt-Info hatte ich noch angedeutet, dass wir "may be a little earlier" ankommen würden. Das taten wir dann auch, um 11:30 Uhr wurden wir per Dinghi (!) vom Hafenmeister zum Liegeplatz begleitet. 3 Marinieros halfen beim Anlegen. ,Welcome to the Dominican Republic. Wie es uns in der Marina vs "draußen" in der DomRep ergangen ist, und ob wir Wale gesehen haben, die in dieser Bucht Sex haben, darüber berichten wir im nächsten Blog. Nur soviel: die Marina ist die luxeriöseste Marina, die uns bisher untergekommen ist. Und das Leben außerhalb der Marina ist - dazu dann später.