We're all living in Amerika, Amerika ist wunderbar
05 March 2022 | West Palm Beach, Riviera Beach City Marina
Alfred | Nice, sunny, windy and cool at night
Ja, wir haben es geschafft, sind mit unserem angeschlagenen Riss im Wantenspanner von Old Bahama die ca. 60 Seemeilen bis Florida gekommen. Ich wollte erst 'gesegelt' schreiben, aber das stimmt leider nicht. Nach anfänglichen kläglichen Versuchen, die Genua auszubaumen und so den genau von achtern wehenden Wind von 8 bis 10 Knoten besser einzufangen, mussten wir erkennen, dass es ohne Leichtwindsegel (wir haben einen Gennaker) nicht schneller als mit 4 Knoten vorangeht. Dieser Speed reicht aber nicht, um vor Einbruch der Dunkelheit die Einfahrt nach West Palm Beach zu erreichen, und so musste unser 40 PS Motor ran, mit dem wir das bei 6 Knoten Fahrt schaffen würden.
Den Golfstrom zu queren, kann ziemlich ruppig sein, wurde uns gesagt, und zwar bei Nordwind ab Bft. 4, vielleicht schon eher. Bestimmt schon eher, denn selbst unser Ostnordostwind erzeugte Wellen, die es in sich hatten. Ein heftiges Geschaukel, gut dass es keine Nachtfahrt war, denn Schlafen wäre unmöglich gewesen. Der Mast wurde schon ganz ordentlich belastet, und ich malte mir im Geiste immer wieder die Kräfte aus, die auf das Unterwant wirkten, beruhigte mich damit, dass es "nur" ein Unterwant war, und wir den Riss mit diversen Klemmen am Fortschreiten gehindert hatten.
Abgesehen von dem Geraffel, dass wir mit dem Setzen des Gennakers bei dem Geschaukel auf uns nehmen würden (mir war noch vom Aufbau des Ausbaumens der Genua ganz komisch), war das einfach keine Option: ich spielte im Geiste die Diskussion mit der Versicherung durch: " Also, Sie hatten also einen Riss im Unterwant, damit sind sie dann über den Golfstrom gesegelt und haben den Gennaker gesetzt. Dabei ist dann der Mast von oben gekommen, ist das so richtig?"
Als erstes sah man ein Hochhaus. Später dann weitere Bauten, eine Art Skyline. Anders als ein Landfall auf Dominika oder Grenada, oder der Dominikanischen Republik. Amerika eben. Trotzdem konnte ich mich eines intensiven Wohlgefühls, einer Mischung aus Stolz, Freude und Glück nicht entziehen, war ich bisher doch immer nur mit dem Kranich in das gelobte Land eingereist. "Cool" wäre das richtige Modewort. Amerika auf eigenem Kiel. Von Großenbrode aus.
Der Lake Worth Inlet erzeugte auch noch mal Respekt bei uns, denn die Strömung kann schon extrem sein. Das merkten wir dann beim Anlegen, uns wurde ein Seitenanleger an der Tankstelle zugewiesen, den wir zweimal mit der Strömung ansteuerten. Beide Male trieb das Heck sehr zügig vom Steg weg, zügiger jedenfalls, als uns hilfsbereite Segler am Steg halten konnten. Erst der dritte Versuch gegen die Strömung war erfolgreich.
Der Officer der CBP (U.S. Customs and Border Protection) am nächsten Morgen war super-freundlich, wir hatten alles perfekt vorher organisiert, und schon waren wir einklariert. Gelbe Quarantäne-Flagge noch schnell eingeholt und Entspannung total. Luxus in der Marina, und eine schnelle Organisation der Reparatur der Unterwant (Teile von X-Yachts, Austausch des Unterwants von einer lokalen Rigging-Firma). Wenn die 150 $/Nacht in der Marina nicht wären, wär alles prima. We're all living in Amerika, Amerika ist wunderbar.