Freiheit gegen Geld
09 March 2022
Petra
Freiheit gegen Geld
Gestern wollten wir einen Ausflug zu der Insel Palm Beach Island machen, vor der wir seit Montagmittag liegen, an einer Mooringboje. Nach fünf Tagen in einer schicken, viel zu teuren Marina, zogen wir um. Alfred hatte beim Wäschemachen von Anne den Tipp bekommen. Sie lägen an einer sehr zuverlässigen Mooringboje, Alfred solle sich bei Zag melden. So kamen wir zu dem wunderbaren Platz hier zwischen dem Containerhafen, der Betonfabrik und dem Kreuzfahrtschiff auf der Westseite und der schicken Palm Beach Island an der Ostseite, an deren Küste sich eine Villa an die andere reiht, inklusive eigenem Bootssteg natürlich. Wir fragten uns, wo wir denn mit dem Dinghy anlanden könnten. Ich googelte und suchte, fand aber so gut wie nichts. Also machten wir uns als echte Abenteurer einfach auf den Weg. Wir fuhren die Villen mit Garten und Strand langsam ab und kamen schließlich zum Sailfish Club (private, steht bei Navionics). Alfred zögerte, ich sagte, wir fragen doch nur. Das geht schon. Ich ging selbsbewusst zu einem Büro. Zwei Damen verwiesen mich an den dockmaster nebenan. Ich öffnete die Tür und sah einen übergewichtigen, schwitzenden Mann in weißer Uniform, der ein pfeifendes Atemgeräusch erzeugte. Ich fragte ihn in allersüßestem freundlichen Ton, ob es hier irgendwo eine Möglichkeit gebe, sein Dinghy abzustellen. "No, this a private club." Gebe es nicht sonst irgendwo an der gesamten Insel einen Dinghydock? Es gebe doch auf dem Ostufer auch public beaches. Da müsse man halt mit dem Auto hinfahren, war die Antwort des Hafenmeisters. Schade, sagte ich, "Too bad we can´t stay here.""No, people pay a lot of money, so no other people come here." "Well that´s not very fair." Seine Erwiderung, "Those people out there are a bunch of gypsies!". Ich machte ohne Abschied kehrt und verschwand aus dem Büro und befürchtete noch, verfolgt zu werden. Das machte mich wütend. Die sogenannte Freiheit in Amerika muss man sich erkaufen. Ich fühlte mich hier nicht willkommen. Etwas bedrückt fuhren wir langsam zurück zum Boot. Aber irgendwie wollten wir uns doch nicht so leicht einschüchtern lassen. Bei einem der ankernden Boote fragten wir einen Segler, ob es irgendwo eine Dinghy-Anlandestelle gebe. Er erklärte und gestikulierte. Wir waren nicht sicher, wo wir hin sollten, fuhren aber in die entgegengesetzte Richtung der Palm Beach Island, Richtung Norden, über den mit starken Strömungen wirbelnden Fort Worth Inlet, vorbei an der wunderschönen Peanut Island. Plötzlich fuhr der Segler, den wir angesprochen hatten, mit dem Dinghy an uns vorbei. Wir folgten ihm und kamen an eine Marina mit vielen großen Angelbooten, der Sailfish Marina. Die kannten wir von einem Telefonat. Wir hatten wegen eines Liegeplatzes angefragt, der 3000$ für 4 Wochen kosten sollte. Hier fragten wir an der Tankstelle, ob wir kurz bleiben könnten. Ja, klar, sagte der freundliche junge Tankwart, Schüler oder Student mit lockigem Haar, das unter seinem Baseballcap hervorquoll. Es sei nicht mehr viel Betrieb. Wir waren so dankbar. Es gibt doch nette Menschen hier. Wir spazierten ein wenig durch die Marina und gönnten uns noch vor Sonnenuntergang einen leckeren Fisch im Restaurant der Marina. Dazu gab es noch Livemusik, ein Gitarrist, der sozialkritische Songs aus alten Zeiten sang (Piano Man, Old Man) und sogar unser Wunschlied, Hotel California, aus dem Ärmel schüttelte. Das tröstete uns etwas. Was für eine schöner Abschluss. Kurz nach Sonnenuntergang beeilten wir uns und machten uns auf den Weg zurück zu unserem schwimmenden Zuhause.
Together forever
Dazu fällt Alfred noch eine nette Geschichte ein, zu den Menschen hier in Florida. Am Tag nach unserer Ankunft hier gingen wir zu Fuß zu Walgreen´s, einer riesigen Drogeriekette, um eine SIM-Karte zu kaufen. Zu Fuß, ja richtig gelesen. Denn keiner in Amerika geht zu Fuß, außer er kann sich weder ein Auto noch eine Busfahrkarte leisten. Wenn man unterwegs Leute trifft, sind es also Obdachlose. Die grüßten wir immer besonders freundlich, weil wir uns mit ihnen solidarisch fühlten. Endlich hatte ich unsere SIM-Karte auf das Förderband der Kasse gelegt und Alfred stellte zwei Flaschen Wasser dazu und sagte, "Together please." Die Kassiererin lachte und sang, "Together forever!" (Das Lied von Rick Astley, 1988). Wir lachten alle. Ich fügte hinzu, "We hope so." Scheinbar lässt sich das deutsche, "Bitte alles zusammen abkassieren.", nicht wörtlich übersetzen. Ich fragte die sympathische Kassiererin, ob sie mit ihrem Job zufrieden sei. Ja, sei schon ok. Und was sie verdiene. "13 Dollars." Und ob sie auch krankenversichert sei. Ja. Wie nett manche Menschen sind.