Freaks und Manatees im Palm Beach County
27 March 2022 | Lake Worth, Palm Beach County, Florida, USA
Alfred | Sunny and warm
An der Mooring warten wir auf unser Ersatzteil, dass dann auch tatsächlich schnell (nach 3 Tagen, dank X-Yachts wundervollem After Sales Service) eintrifft. Wir kommen gerade noch dazu, uns das Ausflugsziel Peanut Island mit dem Dinghi zu erschließen, auf dem Präsident Kennedy einen Bunker hatte, die Insel aber sonst wie allgemein üblich in den USA als Park eingerichtet ist, überall hübsche Spazierwege, saubere Strände, Hinweisschilder was man tun und lassen soll - zum Beispiel keinen Alkohol trinken auf der Insel - das ist doch mal was. Stelle mir das gerade für eine deutsche Insel vor, Helgoland? Danach treffen wir uns wieder mit unseren Freunden Candace und Gordon von der Caledonia, die in Stuart liegen und beide noch im Job sind. Vom Boot aus als eine Art Home Office arbeiten. Was durch die Pandemie alles möglich geworden ist! Manches hat sogar seine guten Seiten. Wieder in der Sailfish Marina, weil das dort so schön war und wir ja sonst nirgends anlegen können mit unserem 9 Fuß langen Dinghi. Um uns herum nur Motorboote, ca. 50 Stück mit minimal so um die 60 Fuß, die meisten deutlich größer. Es ist aber trotzdem schön, man muss es zu genießen wissen. Am nächsten Tag planen wir gerade das Verholen in die 150-$-Marina für die Reparatur, als uns die Rigging-Firma anruft, zu der wir das Ersatzteil haben senden lassen: "Schlechte Nachrichten, das Ersatzteil ist auf dem Transport beschädigt worden und nicht mehr verwendbar." Große Aufregung, Info an X-Yachts mit der Frage, wie jetzt weiter zu verfahren sei. Durch die Zeitverschiebung läuft alles per E-Mail. Ein neues Teil wird gesendet (es ist noch ein wenig komplizierter, würde jetzt hier aber zu weit führen, es gibt später noch einen weiteren Blog-Post für den technisch interessierten Leser).
Wir entscheiden uns, diese Wartezeit dafür zu nutzen, das Boot an Land zu stellen und mit weiteren geplanten Wartungsarbeiten zu beginnen, die dann abgeschlossen werden können, wenn Petra wie geplant nach Deutschland fliegt und ich hier in Riviera Beach alleine bin.
Wir suchen uns eine Unterkunft via Airbnb, was sich als nicht so einfach - besser als nicht so billig herausstellt, da gerade Spring Break ist, und viele "Snowbirds" sich ebenfalls gerne in Florida aufhalten. Snowbirds sind Menschen aus den nördlichen Staaten der USA, wie der Name schon sagt, dort wo Schnee liegt, und die diesem kalten Winter nach Florida entfliehen. Wir werden dieser Spezies weiter unten noch einmal kurz begegnen ... (Es soll ja auch bei uns Mitbürger aus Deutschland geben, die dasselbe Verhalten zeigen, nur nicht mit dem Ziel Florida, sondern eher Kanaren oder vielleicht noch Mallorca oder Thailand?)
Zuerst finden wir eine Unterkunft in Riviera Beach, also dort, wo auch das Boot gekrant wird, direkt am Intracoastal Waterway (ICW). Eigentlich recht schön gelegen, wenn nicht auch gerade eine Hauptstraße direkt neben dem Hotel entlang führen würde. Dafür kostet das Zimmerchen nur 150 $, das ist sehr, sehr günstig. Direkt gegenüber liegt nämlich Palm Beach, das ist eine Stadt im County Palm Beach, die langgestreckte Insel östlich des ICW direkt am Atlantik, in der auch Donald T. nun sein zu Hause gefunden hat (Mar-a-Lago). Ein Haus kostet dort im Schnitt 8.6 Mio Dollar lt. Wikipedia. Now I understand better why the harbour master on Palm Beach called us sailors a "bunch of gypsies"! (s. vorherigen post von Petra: 'Freiheit gegen Geld')
Der Besitzer des Hotels rühmt den Ort mit einem kleinen Strand als sehr interessantes Schnorchelrevier, da es direkt am 'Inlet' liegt, eine Ein- bzw Durchfahrt, in diesem Falle dem Lake Worth Inlet, durch den wir auch in das Innenfahrwasser hereingekommen sind. Die kleinen Fische flüchten nämlich durch diesen Inlet vor den großen Fischen und tummeln sich direkt vor seinem Hotelstrand. So die Theorie. Wir probierten es natürlich aus, weil er uns auch versprach, wir würden Seepferdchen sehen. Taten wir aber nicht. Weder die, noch kleine Fische, da die Sichtweite kaum mehr als einen Meter betrug. "You picked the wrong time, it was high tide, water is running out, the water is never clear then." Ach so.
Inzwischen hatten wir auch ein Auto, so konnten wir unsere Freunde in Stuart mal besuchen. Auf dem Weg dorthin machten wir im McArthur State Park halt und spazierten ein wenig über einen Steg durch die flachen Seen. Man könne dort auch auf Krokodile treffen (die haben hier den witzigen Namen Crocodilians). Das war uns dieses Mal leider (?) nicht vergönnt. Vielleicht haben wir im Mai an der Westküste Floridas auf unserem Besuch bei Norman und Anne mehr "Glück".
Petra, Candace und deren Freundin Becky trafen sich mal ohne Männer zu einem Mädels-Shopping, das fanden sie toll. Und ich konnte mir von Gordon mal ausführlich seine Moody zeigen lassen. So viele technische Dinge, über die wir reden konnten, stundenlang. Das fanden wir toll. Dann trafen wir auf Heath. Ein recht junger, (um die 30?) Lebenskünstler, der jede Karriereambition über den Haufen geworfen hat. Er jobbt zur Zeit bei einem Pizza-Bringdienst; und seine Freundin ist Rockmusikerin, hat eine Frauenband (Kay Odyssey, bei Youtube und auf Spotify zu bewundern). "Mein Ziel ist es, so um die 20 bis 30.000 $ zusammenzubekommen, dann segeln wir los." Ein Boot hat er schon, 35 Fuß, mit unendlichen vielen Arbeitsstunden seetauglich gemacht. So geht's (vielleicht/hoffentlich) auch. Er war gerade dabei für eine Prüfung zu lernen, Kapitän für Schiffe bis 100 Tonnen und bis zu 50 (?) Passagieren, um auf einem Touristenschoner anzuheuern. Mit Geodreieck kurvte er durch den Long Island Sound oben bei New York. "Oh, da wollen wir ja auch hin," meinte ich. "Dann brauchst Du das hier nicht, das ist nur für die Prüfung." Kommt mir irgendwie bekannt vor. Leider ist er am nächsten Tag durchgefallen, aber er kann in zwei Wochen wiederholen. Wir wünschen ihm viel Glück.
Wir brauchten eine neue Bleibe, unser "Open Waters Dive Spot" lief aus. Wir gerieten in die Fänge von Tyler, der zwar bei Airbnb inserierte, uns dann aber einen Sonderpreis für ein Appartment anbot, was gerade ganz neu eingerichtet wird, er könne es uns "günstiger" anbieten. Ob nun ein Preis von einem Zimmer im Adlon irgendwas mit günstig zu tun hat, müssen andere beurteilen, wir entschieden uns für sein Angebot. Petra und ich wollten uns die letzten 5 Tage vor Ihrer Abreise noch einmal gut gehen lassen. Es befindet sich in Lake Worth, einer weiteren Stadt im Palm Beach County, ca. 20 Minuten von unserem Boot entfernt, eine akzeptable Entfernung. Dass das eine Art Szene-Viertel ist, erfuhren wir erst, als wir am ersten Abend noch eine Kleinigkeit Essen gehen wollten. Auf der Lake Street befand sich eine Kneipe nach der anderen , Live-Musik auf der Straße und in den Kneipen, Kunstgalerien. Wir blieben nach ein paar Stopps in einem Irish Pub hängen, der an diesem Abend eine besonders attraktive Band ankündigte: Irish Punkrock. Hm, hörte sich interessant an. Wir bestellten etwas zu Essen und kamen mit unseren Tischnachbarn ins Gespräch. "We are Snowbirds aus Chicago!" Aha, so sehen die also aus. Sie gaben uns viele Tipps, was man noch alles so machen kann in der Gegend, das war spannend. Von Ihnen erfuhren wir auch von Trump, Flagler, Norton, und einigen anderen ansässigen VIP's. Und sie stellten uns einige andere Besucher der Kneipe vor, man kennt sich hier. Mit den meisten von Ihnen konnte man sich allerdings nicht unterhalten, da wir ihre Sprache nicht verstehen konnten, man nennt es 'Lallenglisch'. Es waren Freaks, Übriggebliebene, in fortgeschrittenem Alter, mit entweder wehenden grauen Haaren oder Glatze mit Punkkamm. Dazu einen weiten blauen Kaftan oder eine Lederjacke. Selten so viele verrückte Leute an einem Abend getroffen. Aber sie waren alle fröhlich, hüpften manchmal versuchsweise beschwingt zur Musik oder umarmten sich weinselig. Die ein- oder andere Rauchfahne wehte auch den bekannt-süßlichen Geruch herüber. Die Mischung machts.
Neben keinen Fischen und keinen Krokodilen haben wir auch noch keine Manatees gesehen. Das sind Seekühe, Riesentiere, endlich mal Vegetarier, das ist doch schön. Wir waren dort, wo sie immer sind, nämlich an den Auslassrohren des Kraftwerks nahe am ICW. Sie lieben warmes Wasser, deshalb kommen sie dort gerne hin. Es gibt dort ein Museum, der Ort heißt Manatee Bay. Er liegt übrigens vis-a-vis unseres ehemaligen Mooringplatzes, nur knapp eine Viertelmeile davon entfernt. Aber als wir dort an der Mooring festgemacht hatten, konnten wir die Manatee Bay ja nicht besuchen! Es ist kein 'public slip' vorgesehen dort!
Die Bay ist eh' nur eine Betonmauer. Dafür ist das Museum toll gemacht. Leider zeigte sich an diesem Tag kein einziges Tier, das Wasser im ICW ist schon zu warm, so dass die Manatees keine notwendig sehen, sich an die Kraftwerksrohre zu kuscheln. Dafür lauschten wir einem sehr interessantem Vortrag über Manatees, es sind schon beeindruckende ganz liebe Tiere. Besonders spannend fanden wir, dass jährlich eine nicht unerhebliche Zahl (1000?) von Tieren durch schnell fahrende Motorboote getötet werden.
Mit einer Fahrradtor, einem Besuch im Old Key Lime Pie ( meiner Lieblingsspeise) House und einem wunderschönen Abschiedsdinner beim besten Italiener am Platz endeten unsere gemeinsamen und ereignisreichen Tage in Florida vorerst. Petra kommt Ende April wieder. Wir sind beide ein wenig traurig.
Welche Pläne und Aktivitäten ich in der Zeit hier in Florida vorhabe, das erfahren die hoffentlich technikbegeisterten Leser im nächsten post. Nur soviel: es kommt janz Dicke.