Sandy Hook
Wir genossen die 'Tage in Cape May' (nach dem gleichnamigen Buch. Wir enthielten uns allerdings dem Versuch, die dort beschriebenen Erlebnisse in irgendeiner Form nachzuvollziehen) und vor allem das wundervolle Wiedersehen mit meinem ehemaligen Kollegen und Weltspitzen-Katalysator-Forscher Pat (er hat übrigens den Diesel-Skandal aufgelöst!) und seiner lieben Frau Barbara, die uns als New Yorkerin nochmal viele aktuelle Tipps für die 'City' mit auf den Weg gab.
Die Planung
Die nächste Etappe sollte uns ganz nah an Manhattan heranbringen. Ganz nah nur deshalb, weil wir Manhattan natürlich ein wenig genauer anschauen wollten, die sich dort befindlichen Marinas aber Preise abrufen, die uns unvernünftig erscheinen. Und es zu meinem ehemaligen Forschungszentrum nur 20 Minuten mit dem Auto sind, so dass uns weitere noch aktive Kolleg*innen schnell mal nach Feierabend besuchen können. Und weil wir damals nach Feierabend des Öfteren nach Perth Amboy gefahren sind, um dort lecker Lobster zu essen. Und weil die ausgewählte Marina die akzeptablen Preise hat, die zwar immer noch extrem hoch sind, aber an die wir uns inzwischen gewöhnt haben (um die 100 $/Tag).
Wieder mal gab es eine Wetterfenster-Entscheidung zu treffen: Ablegen Montag, wie langfristig geplant (Reservierungen der Marinas) bedeutete wenig Wind, aber keine Gewitter. Alternativ Ablegen Dienstag mit viel bzw. ausreichend Wind, dafür aber lange Regenphasen potentiell mit Gewittergefahr. Es ging hin und her, der Wetterbericht änderte sich stündlich. Schließlich entschieden wir uns für die geplante Abfahrt und den Ausschluss von Gewittern.
Der Törn
Das war eine supergute Entscheidung! Denn der Wind wehte stärker und dann noch aus einer Richtung, die Milena Bonatti fliegen ließ. Halbwind mit 10 bis 15 Knoten, phantastisch. Gegen Abend nahm der Wind noch ein wenig zu, bis um die 20 Knoten, und der Wind drehte noch mehr nach Westen, so dass er von achtern kam. "Wenn das in der Nacht so bleibt, sollten wir was tun", dachten wir beide. Trotz Bullenstander hatten wir ja nach dem Unfall mit tödlichem Ausgang bei der ARC 2022 die Regel aufgestellt, den Wind auf Langfahrt unter Autopilot im Mittel nicht mehr als 150 Grad von achtern einfallen zu lassen. Mit dem Kurs würden wir weit auf See hinaus segeln und die Distanz stark vergrößern. Und Probleme mit den vor New York zahlreichen Verkehrstrennungsgebieten (VTG) bekommen. Was tun? "Vielleicht können wir nur mit Vorsegel segeln", schlug ich vor. "Dann sind wir zu langsam", gab Petra zu bedenken (sonst geht das immer andersrum). Der 20 Knoten-Wind war auch die Grenze für unser ungerefftes Groß, in der Nacht will man so auch nicht segeln. Alternativ könnten wir im 2. Reff segeln (das erste Reff mussten wir ja zugunsten des dritten Reffs opfern), dann bliebe aber die Patenthalsengefahr und der schlechte Kurs. "Lass es uns einfach ausprobieren, solange es noch nicht dunkel ist", schlug Petra nach langen Theoriediskussionen schließlich vor. "Wir können es dann immer noch wieder zurückrüsten, wenn wir nur mit Genua zu langsam sind." Gesagt, getan. Und, dank des überraschend guten Windes erreichten wir knapp die erforderlichen 6 Knoten. Super. Und wir konnten genau vor dem Wind segeln und hatten damit einen Anlieger auf Sandy Hook unter Vermeidung der VTG's. Das ging so bis ca. 2 Uhr nachts, danach musste sich die arme Petra mit kleiner 4 Knoten Fahrt über die Runden retten, bis es hell wurde, denn sie wollte mich schlafen lassen, und allein machen wir Nachts keine aufwändigen Manöver, bei dem man das Cockpit verlassen muss. Und Motoren wollte sie auch nicht. Tapfere Petra.
Genau zu dem Zeitpunkt, als es hell wurde, kam der Wind zurück, und auch noch von der Seite! Schnell den Alfred geweckt, schlaftrunken war er gerade gut genug, um hinter dem Steuer zu agieren. Groß gesetzt, und ab ging die Post. Alfred durfte dann noch zwei Stunden herrlich segeln, Sonnenaufgang inklusive, bis der Wind wie vorhergesagt vollständig einschlief. Noch ca. 30 Meilen bis zur Marina. 5 Stunden Motorfahrt lag vor uns, bei jetzt spiegelglatter See. Durch die vielen Schiffe um uns herum gab es etwas Abwechselung, einmal - ich sollte es nicht erwähnen - nach einer längeren Smartphone-Recherche, (wir waren dicht an der Küste mit Funkkontakt), drehte ich mich um Richtung Bug und ein Schleppverband zog ca. 200 m vor uns quer zu unserem Kurs an uns vorbei. Wieso hatten wir den nicht bemerkt? Es wird ein Rätsel bleiben, gut, nichts passiert, aber dieses Ereignis erhöhte unsere Wachsamkeit, und wir kehrten zu einer klaren Wachordnung und 10 Minuten Checks zurück.
Kurzer Technik-Exkurs
Ich kommuniziere über Whattsapp immer mit Robert. Seine Maria ist eine baugleiche X-Yachts Xc38, und da gibt es viel auszutauschen. Er segelt mit seiner Maria im Mittelmeer, zur Zeit Menorca und hat viele Reparaturen in Griechenland machen lassen. Leider hat einer der Mechaniker dort die Lichtmaschine falls angeschlossen, was seine Batterien zerstört hat. Er berichtete jedenfalls über hohe Spannungen während der Motorfahrt. Wie zufällig schaute ich auf unseren Batteriemonitor. "Das gibt's doch nicht!" rief ich. Unsere Spannungen zeigten ebenfalls Peaks > 15 V, und die Ladung der Batterien vollzog sich irgendwie langsam. Dreimal gab es einen Alarm vom Motormanagement (großes Wort, es sind nur Überwachungen und der Motorstart). Schnell die Batterien gefühlt, Gottseidank sie waren alle drei kalt. Wir mussten noch ca. 10 Meilen zurücklegen, was blieb uns übrig? Wir fuhren mit leicht gedrosselter Drehzahl zur Marina. Alles ging gut, und wie wir den Fehler analysieren und beheben, folgt dann in den nächsten Blogs (Gähn).
Ankunft in der Tottenville Marina, Staten Island
Wir konnten die Fahrt trotzdem genießen, der Blick auf Sandy Hook war schön, und das Queren und Abfahren der Fahrwasser und deren Tonnen war lustig. Apropos Sandy Hook. Ich hatte vor ca. 30 Jahren einen Wochenendausflug zusammen mit meinem Kollegen Rüdiger dorthin gemacht. Das jetzt vom Meer aus zu sehen, ist schon etwas Besonderes. Und dann tauchte die Verrezano-Bridge auf, und weiter im Dunst die Skyline. Erste große Momente. Die ganz großen Gefühle heben wir uns für das Ankern vor der Statue auf Liberty auf. Wenn unser Boot uns denn noch bis dahin trägt.
Ron, der Besitzer und Mariniero der Tottenville Marina nahm unsere Leinen an. Ein unglaublich hilfsbereiter Mensch. Und wieder einmal genießen wir den Anblick einer wüsten Industrielandschaft, mit Bootsfriedhof/Schrottplatz vis-a-vis. Wir lieben Industrieromantik.
Und Staten Island (wird übrigens 'Stätten Eilind' gesprochen, und nicht, wie ich immer ''Stäiten Eilind') gehört schon zum New York State, und ist eine gute, sichere Gegend, mit Zug/Fähranbindung (ca. eine Stunde) nach Manhattan. Hier bleiben wir ein wenig.