An der Pier von San Sebastian
25 November 2011 | San Sebastian, Gomera
Jutta
Leicht trägt uns der achterliche Wind unter vollen Segeln erneut in den Hafen von San Sebastian.
Geduldig hältst du, Santa Maria die Fock und das Großsegel in den Wind. Wenn dein Bug mal ein wenig hierhin und dorthin schwenkt, beginnt dein schlanker Rumpf einen Tanz auf dem Wasser.
Wie bist du doch tolerant gegenüber der Crew, die wir dein Ruder bewegen und vollendest mit Eleganz jeder unserer Bewegungen im Ritt zwischen den meterhohen Wellen.
Du zögerst nicht und gibst Antwort auf jeden Impuls, den wir mit dem Steuerrad und den Segeln setzen. Nicht eine Frage lässt du unbeantwortet. Treu und aufmerksam begleitest du die Crew.
Heute geht es uns gut und die Fische warten vergeblich auf eine extra Portion Futter aus unseren Mägen.
Wir wechseln am Ruder und jeder darf sich mal üben in seinem Einfühlungsvermögen im gemeinsamen Tanz mit dir in Wind und Wasser.
Kein Segelreff ist heute zu legen oder zu lösen, keine Wende zu fahren. Wir beschränken uns bei unserer fast 60 Seemeilen langen Tour auf den direkten Kurs nach Südosten in den Hafen von San Sebastian. Als der Wind ein wenig dreht , wechseln wir am Nachmittag auf einen Halbwindkurs und segeln zwischenzeitlich auch mal nah am Wind. Die Segel bleiben auf der Steuerbordseite und wir verändern nur die Spannung im Tuch. Mehr brauchen wir nicht zu tun, die Fahrt geht wie von allein. Der Wind ist mit uns und die Wellen laufen von der Seite oder diagonal unter deinem Kiel hindurch. Sie begleiten uns mit ihrem rhythmischen Rauschen und den weißen Perlen, die deinen Bug bei der Fahrt umspielen. In deinem Schiffsrumpf gurgelt das Wasser, dass in den Rohren steht und mit der Luft in ihnen spielt.
Das Radio durchbricht die Stille der ozeanischen Weite. Es erzählt vom Land und den Menschen mit ihren unterschiedlichen Musikgeschmäckern.
Wir sind zusammengekommen, um die Liebe zum Wasser, zum Wind und den vorantreibenden Kräften mit dir zu teilen. Menschen, die sich nicht kannten, arbeiten zusammen, um ein Ziel zu erreichen: Den nächsten Hafen.
Wie kommt es nur, dass es Dich, Santa Maria wieder in den Hafen nach San Sebastian gezogen hat?
An der Pier, an der wir angelegt haben, bekommen wir Antwort auf diese Frage. Mal wieder suchtest du die Gesellschaft der Atlantiküberquerer, die gerade ihre Boote fertigmachen und sich auf das große Rennen vorbereiten. Wie schon in Las Palmas auf Gran Canaria, wo wir uns in der letzten Woche unter den ARC (Atlantic Race for Cruisers) Teilnehmern mit ihren geschmückten Booten wiederfanden, geselltest du dich nun zu den Abenteurern, die über den Atlantik nach Barbados rudern werden. 17 Boote warten hier auf ihren großen Einsatz, um am 4. Dezember in Einer- bis Vierer Mannschaften über das große Wasser zu rudern. Sie kommen aus der ganzen Welt in San Sebastian zusammen und lieben die Herausforderung des „Atlantic Challenge, the world's toughest rowing race“. Die Atmosphäre an der Pier ist spannungsgeladen. Betriebsam und konzentriert bereiten sich die Teams auf die bevorstehenden Wochen auf hoher See vor und laden den bis auf den letzten Zentimeter ausgenutzten und durchplanten Stauraum mit dem nötigen Proviant.
Ja, Santa Maria, ich weiß, auch Du nahmst 2009 an der Atlantiküberquerung im ARC teil. Hast du denn schon wieder Sehnsucht nach dem großen Wasser?
Wir starten gleich mit dir in unseren Zielhafen nach Galletas in Teneriffa. Um 11.30 Uhr trifft sich die Belegung wieder an Bord. Sie sind mal schwimmen gegangen, solange hast du noch Zeit hier an der Pier...